Baron gut überm Berg

Baron gut überm BergNachdem in dieser Angelegenheit vermutlich sämtliche Pros und Cons diskutiert und ausgetauscht wurden, soll eine kleine Zwischenbilanz gezogen werden. Es ist schon erstaunlich, wie sich ein Minister nach einer ganzen Serie von Fehlleistungen und Fehlentscheidungen einer Zustimmung in der Breite der Bevölkerung von gemessenen ca. 75 Prozent sicher sein kann. Diese Zustimmung wird es auch sein, die den Baron in der Fahrspur seiner politischen Karriere halten wird. Schlimmstenfalls, sollten noch weitere Verfehlungen an die Öffentlichkeit gelangen, wird man ihn vorübergehend nach München zurückbeordern müssen, um ihn aus dem Schußfeld der Bundespolitik zu holen. Eine europäische Lösung, also die Entsorgung des Problemkandidaten nach Brüssel, scheidet aus, seitdem in Brüssel bindende Gesetzgebung gemacht wird und die einst Geschmähten jetzt späte Rache üben könnten. Außerdem ist 2011 ein Wahljahr und die Strahlkraft des Freiherrn soll die CDU/CSU zu neuen Höhen führen. Am Ende wird der Baron wieder freiherrlich strahlend auf der bundespolitischen Bühne stehen und zu größeren Aufgaben als die der Landesverteidigung berufen sein.

Eine überwältigende Bevölkerungsmehrheit von zweidrittel oder sogar dreiviertel, je nach Umfrageinstitut, steht zu dem Minister und hat dabei nur ein einziges Argument: »Das ist doch alles nicht so schlimm.« Eine argumentativ starke Minderheit tobte sich noch jüngst in Fernsehinterviews, Zeitungsbeiträgen und vor allem den Internetforen aus und lieferte eine unüberschaubare Vielzahl von Fakten und Gründen warum dieser Minister nicht länger sein Amt bekleiden dürfe. Demnach stehen sich gegenwärtig in Deutschland zwei Lager gegenüber. Eine große, argumentarme Mehrheit und eine hochagile, emotional frische, intellektuelle Minderheit. Es wird kaum zu erwarten sein, daß die gefühlte Meinungsmehrheit bei der Massenmehrheit einen Gesinnungswechsel hervorrufen kann. Hier wäre wahrscheinlich selbst die geballte Medienkraft machtlos. Am Ende wird der Fall zu Guttenberg nur noch Interesse bei Soziologen, Medienwissenschaftlern und vielleicht Psychologen wecken und für einen kleinen Scherz am Rande einer Talkshow geeignet sein. Die objektiv kleinere Meinungsmehrheit wird hingegen stärker und nachhaltiger enttäuscht sein über die politische Landschaftsentwicklung in der BRD, die schon längst mit Bananen Republik Deutschland übersetzt wird.

Schließlich stellt sich noch die Frage nach der Praxistauglichkeit des Freiherrn, die sich an der einfachen Fragestellung orientiert ob er in der privaten Wirtschaft eine Funktion ausüben könnte. Ein Unternehmer muß mindestens 50 Prozent richtige Entscheidungen treffen um langfristig erfolgreich unternehmerisch handeln zu können. In der bundespolitischen Arbeit hat der Baron aber bisher nicht eine einzige veröffentlichte richtige Entscheidung getroffen oder getroffene Entscheidungen schlüssig erklärt. Die Zustimmung zur Restrukturierung der Bundeswehr war budgetgetrieben und damit auch bei der Opposition einfach durchzusetzen, und stellt demnach keine echte Leistung dar. Das Krisenmanagement um seine Doktorarbeit war so schlecht, daß er auch für eine Anstellung in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens oder als Repräsentant ungeeignet wäre. Wahrscheinlich bleibt am Ende doch nur der Politikbetrieb als einziges Betätigungsfeld.
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