Merkels Stammtisch

Merkels StammtischOffensichtlich hatte Frau Dr. Merkel ihre eigene Herkunft völlig vergessen, als sie am 17. Mai einen Auftritt in Meschede hatte. Das liegt im Hochsauerlandkreis und ihr Auftreten dort könnte man als politisches Heimspiel bezeichnen. Dort kritisierte sie in Stammtischmanier das Verhalten der überschuldeten Südeuropäer. Sie wird mit diesen Worten zitiert: »Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen – das ist wichtig […] Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen. […] Deutschland hilft nur dann, wenn sich die anderen anstrengen.«.

Als Politikerin und wesentliche Repräsentantin der Bundesrepublik sollte sie niemals andere Völker und Regierungen kritisieren oder ihnen gar drohen. Es darf von ihr die Kenntnis erwartet werden, daß das deutsche Volk aufgrund seiner Vergangenheit in weiten Teilen der Welt als Problemvolk gilt. Ob dieser Auftritt für das Ansehen Deutschlands in Europa und der Welt besonders förderlich war darf zurecht bezweifelt werden. Ein Bundeskanzler soll Schaden von Deutschland abwenden. Frau Dr. Merkel tat hier wohl das Gegenteil.

Wenn sich die Anbiederung der Bundeskanzlerin am rechten Wählerspektrum auch noch auf belegbar falsche Fakten und Zahlen stützt, wird es noch problematischer. Zumindest nach der Zahlenlage sind die von ihr gescholtenen Südeuropäer nicht weniger fleißig als die deutsche Bevölkerung. Man darf erwarten, daß sich ein Bundeskanzler intensiv mit der politischen Wirklichkeit auseinandersetzt.

Durch ihre Äußerungen hat sie ihr Verständnis für die europäische Zusammengehörigkeit und Solidarität kundgetan und eine neue Standortbestimmung geliefert. Vermutlich wird sie sich gegenwärtig eines Fehlers bewußt. Konnte der Euro-Rettungsschirm zunächst gar nicht groß genug sein und galt als alternativlos, erkennt sie heute, daß es zum Beispiel Griechenland, trotz grundsätzlichen Sparwillens und aller gewährter Kredite, niemals schaffen wird ohne Umschuldung aus der Krise herauszukommen. Zusätzlich steigt der Unmut der Bundesbürger fast täglich. Also stellt sie sich jetzt auf die Seite des deutschen Steuerzahlers und zeigt auf die überschuldeten Staaten, so als hätte Deutschland keine Schulden. Wenn ihr Kalkül aufgeht, platzt den stolzen Griechen sprichwörtlich der Kragen und sie nehmen ihre Geschicke außerhalb des Euros zukünftig wieder selbst in die Hand. Damit hätte sich dann eines ihrer Teilprobleme von selbst gelöst. Die Signalwirkung wäre groß.

Dem westdeutschen Steuerzahler hat man schon einmal vor vielen Jahren sehr tief in die Tasche gegriffen und damit die deutsche Staatsverschuldung explosionsartig in die Höhe getrieben. Das war die Zeit, als im dunklen Teil Deutschlands das Licht angeknipst wurde. Hoffentlich vergißt das Frau Dr. Merkel nie. Die Parolen an den Stammtischen waren damals die gleichen, sicher auch in Meschede.
rh2011-05-006