Kernkraft der Landtagswahlen

Kernkraft der LandtagswahlenErst am vergangenen Sonntag konnte die interessierte bundesdeutsche Öffentlichkeit Frau Dr. Merkel erleben, wie sie – bei allem Mitgefühl für das japanische Volk – erklärte, daß die Katastrophe in Japan nichts an der Sicherheitslage deutscher Kernkraftwerke verändert habe. Ferner sei Deutschland nicht von Erdbeben dieser Stärke und auch nicht von Tsunamis bedroht. Sie nahm dabei eine technokratische Haltung ein. Das ist im weitesten Sinne eine Politik, die ohne den Menschen stattfindet. Zur gleichen Zeit liefen schon Demonstrationen gegen die Kernkraft, aber Frau Dr. Merkel gab sich nachdrücklich zufrieden mit der Entscheidung über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Um dies zu unterstreichen sah man anschließend auf allen Sendern Herrn Kauder, seines Zeichens Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, der diese Aussagen nochmals gebetsmühlenartig wiederholte »die deutschen Kernkraftwerke sind sicher«. Aber der Wähler goutiert dies nicht.

Bereits zum Zeitpunkt der Katastrophe hat der überwiegende Teil der Öffentlichkeit verstanden, daß Kernkraft letztendlich nicht beherrschbar ist, und es sich dabei um eine null-fehlertolerante Technik handelt. Ja, daß selbst die hochtechnisierte und drittgrößte Volkswirtschaft der Erde hilflos mit ansehen muß, wie ihre Meiler abfackeln.

Dann erst, kaum 24 Stunden später, und damit wieder einmal viel zu spät, reagiert unsere Regierung und vollbringt eine 180° Kehrtwende um dem erstaunten Publikum ein dreimonatiges Moratorium zu erklären, das das Gesetz zur Laufzeitverlängerung zunächst außer Kraft setzen soll. Soviel Ungeschick ist kaum zu ertragen. Es ist wieder einmal der Fehler im Fehler. Spätestens jetzt ist klar:

  • Politiker brauchen viel zu lange um Volksmeinungen zu erkennen, sie richtig zu interpretieren und dann daraus die richtigen Entscheidungen abzuleiten
  • grundsätzlich sind ihre Entscheidungen hochgradig abhängig von den Umfragewerten, zumindest wenn diese in einem deutlichen zeitlichen Zusammenhang mit Wahlen stehen
  • die Sicherheitskonzepte und die vorangegangenen Sicherheitsprüfungen der Kraftwerke sind zumindest nicht vertrauenswürdig
  • in einem Zeitraum von nur drei Monaten können zwar Wahlen gewonnen aber keine neuen Erkenntnisse aus einer komplexen Technologie gezogen werden

Selbst ein Hardliner und Atombefürworter erster Güte wie Herr Mappus, Baden-Württemberg, in dessen Landesgrenzen auch schon mal mit Gewalt gegen demonstrierende elderly Ladies vorgegangen wird, übertrifft das Moratorium indem der Landesfürst jetzt sogar den ältesten Meiler in seinem Beritt still legen lassen will. Ein Mensch, der noch vor nicht allzu langer Zeit seinen Parteikollegen, Dr. Röttgen, öffentlich scharf wegen dessen eher restriktiven Atompolitik kritisierte. Die letzte aktuelle Meldung auf der Homepage von Herrn Mappus datiert vom 1. März 2011. Die Zeit läuft im Ländle scheinbar anders.

Zu allem Überfluß, aber verwaltungstechnisch wohl relevant, stellt sich noch die Frage, ob die Regierung dieses Moratorium ohne Beteiligung des Bundesrates einsetzen durfte. Die Verwirrung scheint komplett. Sicher ist hingegen dies:

  • die Stromkonzerne werden sich den Gesetzesbruch, so er denn kommt, fürstlich bezahlen lassen
  • die Strompreise der kommenden Jahre werden allein durch das Politikergeplapper von Investitionen in Stromleitungen und Staubecken etc. steigen (ähnlich dem Benzinpreis bei der unbeholfenen E10 Einführung)
  • das Ansehen der Politiker beim Wähler wird nochmals weiter sinken
  • die einschlägigen Internetforen werden sich mit berechtigter Kritik an unseren Politikern weiter füllen
  • die Wahlurnen hingegen werden leerer und leerer

Und was sagt Herr Kauder jetzt zu der ganzen Entwicklung? Unsere Erdbeben und Tsunamis scheinen die Dummheit und fachliche Inkompetenz der verantwortlich Handelnden zu sein.
rh2011-03-007