Euro Rettung

Euro RettungÖkonomen versuchen stets die überaus komplexe Realität wirtschaftlicher Zusammenhänge zu erklären und verwenden dazu Modelle und entwickeln Theorien. Diese Hypothesen, die dabei entstehen, können zwar nie bewiesen werden, haben aber jedenfalls solange Gültigkeit, bis sie widerlegt werden. Da die Realität über alle Maßen vielschichtig ist, bedient sich der Volkswirt der Ceteris paribus Klausel. Dabei fixiert er gedanklich alle einflußnehmenden Stellschrauben seines Untersuchungsgebiets, modifiziert nur einen oder wenige Einflußfaktoren und überlegt sich, was im Ergebnis herauskommen könnte. Die Gefahr besteht darin, daß durch die Modellvereinfachung der zu untersuchende Sachverhalt nicht mehr ausreichend repräsentiert, und damit das Untersuchungsergebnis unbrauchbar wird. Makroökonomen bewegen sich also regelmäßig aber bewußt jenseits der Realität und geben oft auch widersprüchliche wirtschaftspolitische Empfehlungen ab. Erklärt ein Wirtschaftsexperte hingegen ganz genau wo es langgeht, dann haben wir es mit einem Politiker zu tun.

Maßgebliche Regierungspolitiker erklären gegenwärtig warum der Eurorettungsschirm unverzichtbar ist und warum der Staatsbankrott, zum Beispiel Griechenlands, in einer Katastrophe europäischen Ausmaßes enden würde. Demnach würden die Gläubigerbanken Griechenlands an den Rand des Ruins gedrängt werden und mit ihnen die dazugehörigen Volkswirtschaften. Anschließend würden sogar nur mittelbar betroffene Balkanstaaten in Bedrängnis geraten. Die Beseitigung der daraus resultierenden Schäden käme weitaus teurer als alle jetzt gewährten Bürgschaften und Kredite zusammengenommen. Einige Politiker sehen in diesem Fall sogar eine zweite Bankenkrise auf uns zukommen. Internationale Spekulanten, so lautet ihr Schreckensszenario, würden geradezu auf das Eintreten dieser Ereignisse warten, um dann Handlungen einzuleiten, die der europäischen Gemeinschaft zum weiteren Nachteil gereichen würden. Wenn die Argumentationslage noch dünner wird hört man häufig, daß Deutschland von einem stabilen Euro am meisten profitiert, so als hätte es vor der Euro-Zeit nie einen intraeuropäischen Handel gegeben. Und wenn argumentativ gar nichts mehr geht dichtet man dem Euro eine politische Dimension an: Es habe noch nie so lange Frieden in Europa gegeben. Das ist ein Killerargument erster Güte.

Die Politik erklärt und beurteilt, häufig ohne den erforderlichen Sachverstand, die ökonomischen Zusammenhänge und Wirkmechanismen so, als handele es sich um eine Naturwissenschaft mit klar vorhersagbaren Ergebnissen. Sie interpretiert in den Euro mehr hinein als er ist: Ein Zahlungsmittel. Schon gar kein Vermächtnis ehemaliger Europapolitiker. Sie vergißt dabei, daß es EU-Staaten gibt, die sich dem Euro verweigern und Nicht-EU-Staaten, die den Euro dennoch offiziell als Währung nutzen. Das alles geht.

Die Ökonomen und Finanzexperten sehen die Sachverhalte emotionsfreier. Sie bezweifeln, daß es einer Volkwirtschaft wie Griechenland, die nicht nur ein massives Einnahmenproblem (Steuern) sondern auch in hohem Maße ein Ausgabenproblem (Staatsquote) hat, in der gegenwärtigen Situation gelingen kann die Verschuldung in vergleichsweise kurzer Zeit auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Der zusätzliche Verkauf von Tafelsilber bringt in aller Regel auch nicht die benötigten Mittel auf, erzürnt aber meist die Volksseele. Den entscheidenden Impuls kann hier nur noch eine angemessene Umschuldung Griechenlands bringen. Diese könnte wahlweise sowohl innerhalb oder auch außerhalb des Euros stattfinden. Der ganze Prozeß muß zudem für das griechische Volk verträglich ablaufen. Die Gläubiger, also die Kreditgeber Griechenlands, würden sich mit der Umschuldung abfinden müssen. Da Griechenland im Rating nie ein Triple-A-Staat war (gegenwärtig B, hoch spekulativ), haben sich die Kreditgeber über den erhöhten Zins in den vergangenen Jahren das Bonitätsrisiko vergüten lassen. Dieses Risiko träte dann ein. Aber beides, Erlangung hoher Zinsen als Risikoaufschlag und Beseitigung des Risikos im Schadensfall durch den Staat mit Steuermitteln, schließen sich gegenseitig aus.

Die gegenwärtige Krise Griechenlands, Irlands und Portugals, so unterschiedlich ihre Ursachen auch sein mögen, wird sich zu einem Prüfstein der europäischen Gemeinschaft entwickeln. Auch der ökonomisch nicht vorgebildete Bundesbürger versteht sehr klar die momentane Problemlage. Er kennt den Unterschied zwischen Kreditgewährung und Bürgschaft und weiß, daß die hochverschuldete Bundesrepublik einen Kredit aufnehmen muß um einem anderen ebenfalls hochverschuldeten Staat Liquidität zuzuführen. Im Gegensatz zu den zur Verharmlosung neigenden Politikern kennt er übrigens auch die Risiken, die in einer Bürgschaft stecken und er weiß ebenso, daß die gewährten Kredite aus seinen Steuergeldern aufgebracht werden. Die ersten europafeindlichen Warnschüsse hat es im Ausland bereits gegeben. Es wäre jetzt an der Zeit den EU-Aufnahmemarathon genauso wie den Euro-Einführungswettlauf auf lange Zeit zu stoppen. Die gegenwärtige politische Schicht sollte ihre EU-Eitelkeiten ablegen und sich bewußt werden, daß sie – im Gegensatz zu ihren Vorgängern – keine EU-Geschichte mehr schreiben wird sondern der Basisarbeit verpflichtet ist. Ferner muß ihr klar sein, daß sie zu Lebzeiten nicht mehr die EU erleben wird, die sie sich in ihren Modellen vorgestellt hat. Und solange es innerdeutsche Streitereien zwischen den Bundesländern gibt ist auch Deutschland noch nicht in Europa angekommen.
rh2011-05-004