Es gab mal eine Zeit, da waren sich die bundesdeutschen Politiker in Debatten und Talk-Shows einig: Wir dürfen unseren Kindern und Kindeskindern keine Schuldenberge hinterlassen. Natürlich auch keine Atommülldeponien oder Berge von kaltverformten Getränkedosen an den Straßenrändern, dies sei nebenbei erwähnt. Das Thema Schuldenabbau war allen Politikern so immens wichtig, daß selbst die heilige Kuh Rentenerhöhung dahinter anstehen mußte. Also, die drastische Reduktion von Coladosen-Emissionen hatte seinerzeit funktioniert, da die Grünen hierfür extra einen Dosenminister zur Verfügung gestellt hatten. Das war dann aber auch alles.
Von Kindern und Kindeskindern wurde im Kontext mit der Verschuldung des Bundes bis heute nicht mehr gesprochen. Die Arbeitslosenzahlen stiegen, eine Weltwirtschaftskrise kam und mit ihr noch mehr Arbeitslose. In dieser Zeit konnte der Staat natürlich nicht sparen oder Schuldenabbau betreiben, im Gegenteil. Da es auch kein richtiges Sparkonzept gab, und bis heute auch noch nicht gibt, stiegen die Schulden überproportional weiter an. Außerdem waren die damals zitierten Kinder zwischenzeitlich zu Jugendlichen herangewachsen, so daß man von ihnen Verständnis für die prekäre Situation erwarten durfte.
Noch bevor man den Wirtschaftsaufschwung so richtig genießen konnte, klopften auch schon die ersten Euro-Bankrotteure an die Tür und forderten vernehmlich finanzielle Unterstützung. So wächst der deutsche Schuldenberg unablässig weiter, übersteigt gerade die zwei Billionen Euro Grenze und wird mit ca. 150 Mio. EUR Zinszahlungen bedient. Täglich. Diese Zinsen sind aber die Steuern von morgen und ein Ende ist nicht absehbar. Da propagiert die FDP Steuersenkungen für alle. Kurz zuvor wurde ihr einseitig angelegter Parteivorsitzende gerade dieserhalb abgesägt, da tut es ihm sein Nachfolger nun gleich. Ihnen schwebt eine Steuerentlastung von 10 Mrd. EUR vor, das wären etwa 10 Euro pro bundesdeutschem Kopf und Monat. Das ist zwar auch Geld, aber angesichts der aktuellen Brot-Gemüse-Obst-Energiekosten Inflation würde dieses Geld nahezu wirkungslos verdunsten. Es handelt sich also um einen Akt von Symbolpolitik, die die FDP vor dem totalen Absturz retten soll.
Da auch die Kanzlerin die Felle der FDP davonschwimmen sieht und weiß, daß damit auch die ihren in Gefahr sind, stimmt sie dem Vorschlag grundsätzlich zu. Mit der Forderung nach Steuersenkungen kann man defacto nichts falsch machen. Aber das perfide an dem Universaljoker Steuersenkung ist, daß er dem, der ihn zuerst zieht, im gleichen Maße nutzt, wie er dem, der dagegen ist, schadet. Folgerichtig halten sich SPD und die Grünen bedeckt. Die Grünen haben ohnehin abseits der Atomkraft keine besonders ausgeprägte eigene Meinung. Selbst zur EHEC-Krise – vor Jahren auch einmal verantwortlich für Verbraucherschutz und Landwirtschaft – hatten sie substantiell nichts beizutragen. Und das Interesse der SPD an finanztechnischen Themen beginnt und endet seit Jahren mit der Börsenspekulationssteuer.
Vor dem Hintergrund des absehbar enormen Finanzbedarfs der kommenden Jahre (Europa, Energiewende, Verkehrsinfrastruktur, Bildungssystem, Gesundheitssystem, Pflegekassen, …) erscheinen derartige Geldgeschenke eher ruinös denn hilfreich zu sein. Es bleibt zu hoffen, daß sich maßgebliche Politiker wieder an ihre Absichtserklärungen von damals erinnern und wachrufen. Einige von denen sind nämlich noch die gleichen wie heute. Monothematisch angelegte Parteien werden mittelfristig jedenfalls nicht mehr die passenden Antworten auf die Probleme des Zeitgeschehens liefern können.
rh2011-06-004