Ratingagenturen zerlegen Europa

Ratingagenturen zerlegen EuropaDa war die Aufregung groß bei den Politikern des EU-Parlaments und der Euro-Staaten. Nach Portugal und Griechenland wertet die Ratingagentur Moody’s nun auch Irland nochmals herunter, genauer von Baa3 nach Ba1, und dies mit negativer Prognose. Am Beispiel von Irland hat der Moody’s Investor Service am 12. Juli 2011 eine sehr detaillierte Erklärung für diese Maßnahme veröffentlicht. Neben dem ausdrücklichen Lob für die bisherigen, erfolgreichen Anstrengungen Irlands zur Haushaltskonsolidierung, betrachtet Moody’s die anhaltend schwache Wirtschaftsleistung der Iren mit Sorge. Der Hauptantrieb für diese vorläufig letzte Ratingaktion, so heißt es weiter, liegt in der hohen Wahrscheinlichkeit, daß Irland auch nach dem Auslaufen des aktuellen EU/IWF Unterstützungsprogramms gegen Ende 2013 weitere Finanzierungsrunden der EU benötigt, bevor es sich selbst am Privatkundenmarkt wird bedienen können. Außerdem wird, gemäß der jüngsten EU-Vorschläge, die zunehmende Möglichkeit einer Gläubigerbeteiligung als Voraussetzung für weitere Finanzierungsrunden durch die EU, als überaus kritisch betrachtet. Eben diese Beteiligung des privaten Sektors am Schuldenerlaß stellt den key factor für Moody’s laufende Überprüfungen dar. Die negative Prognose wird zum Teil mit der Uneinigkeit der EU-Regierungen bezüglich der einzuleitenden Unterstützungsmaßnahmen für notleidende Mitglieder begründet.

Ratingagenturen sind nicht unfehlbar und ihr Arbeitsumfeld liegt nicht im naturwissenschaftlichen Bereich. Daher sind ihre Bewertungen, die sich zwar an festen Kriterien orientieren aber auch von Erfahrungswerten beeinflußt werden, nicht immer sofort für jedermann nachvollziehbar. Sie beurteilen den jeweiligen Ist-Zustand von Unternehmen und Volkswirtschaften. Sie beraten nicht und sprechen auch keine Empfehlungen aus. Wenn jetzt diese Ratings, insbesondere der großen drei amerikanischen Marktführer, zur Aktionsfläche von aufgeregten EU-Politikern wird, die Verschwörungstheorien nachgehen und sogar die Zerschlagung der Ratingagenturen fordern, dann wird die Hilflosigkeit dieser Volksvertreter überdeutlich. Weil ihnen das Blinken der Öl-Kontrolleuchte nicht behagt möchten sie lieber das störende Lämpchen entfernen statt direkt die Ursache zu beheben und damit schwere Folgeschäden abzuwenden. Derartige Schäden werden dann immer mit Steuermitteln behoben.

Doch was ist denn so falsch an Moody’s Erklärung? Sie sagen: »Institutioneller Anleger, wenn du dich in Irland (Portugal, Griechenland, …) engagieren willst, und wenn es nach dem Willen von Merkel/Schäuble geht, kann es sein, daß du dich an dem Schuldenabbau des Landes beteiligen mußt. Ob dies jedoch geschehen wird ist unklar, solange die EU in diesem Punkt zerstritten ist.« Was, so die Frage, ist hieran unklar oder bietet Anlaß zur Aufregung?

Ein Teil der Zusatzverärgerung der Politiker beruht sicher auf der Selbsterkenntnis wieder einmal nicht zu Ende gedacht zu haben und damit selbst zum Teil des Problems geworden zu sein. Der EU-Bürger sollte allerdings erwarten können, daß zumindest innerhalb der EZB qualifizierte Mitarbeiter tätig sind, die einigermaßen zielsicher die Konsequenzen des Handelns voraussagen können. Aber auch dies scheint nicht der Fall zu sein. Eines ist jetzt gewiß, der Steuerzahler wird grundsätzlich immer beteiligt sein. Dabei ist es gleichgültig, ob die französische Lösung, also das Herausschleichen aus der Krise, angewendet wird oder der harte Schnitt, auch verniedlichend als haircut bezeichnet. Möglicherweise könnte auch die deutsche Lösung, also die Beteiligung des privaten Sektors an den Schulden, einer allgemeinverträglichen Stabilisierung der Märkte dienen.

Vieles bleibt unklar, eines jedoch nicht. Der in der EU formulierte Wunsch nach einer eigenen EU-Ratingagentur, die den Moody’s, Standard & Poor’s, Fitches und Co. Paroli bieten soll, kann nur bedeuten, daß hier Gefälligkeitsgutachten produziert werden sollen. Unwissenheit und Intransparenz herrscht innerhalb der EU aber schon zur Genüge. Der Anleger kann sich nur starke, unabhängige Ratingagenturen wünschen, die in Wahrheit und Klarheit die Märkte zeitnah und zielsicher beurteilen. Den EU-Politikern ist zu wünschen, daß sie ihre Beratungsresistenz ablegen und verstärkt den von ihnen oftmals als Wirtschaftstheoretikern belächelten Wirtschaftsexperten zuhören und lernen.
rh2011-07-003