Kommunalwahlen Niedersachsen 2011

Carbon Dioxide Capture and StorageKommunalwahlen sind nicht annähernd so interessant wie Landtagswahlen oder Bundestagswahlen. Nach Ansicht vieler Politiker sagen die Ergebnisse von Kommunalwahlen nichts über den Verlauf zukünftiger Landtagswahlen aus, und diese wiederum seien meist auch kein Indikator für die nächste Bundestagswahl. Zumindest geben dies jene Politiker Stimmen abgebender Parteien an; die Zuwachsgewinner – das sind derzeit fast immer die Grünen – sehen dies oft genau anders herum. Wie auch immer, Kommunalwahlen werden oft ohne Getöse vergleichsweise still vollzogen. Da müssen im Vorfeld oft ein paar Beiträge in den kostenlosen Anzeigenblättern, eine handvoll Flyer und mit Kabelbindern an Laternen befestigte Pappschilder reichen. Diejenigen, die gewählt werden möchten, scheinen sich oft nicht allzuviel Mühe zu geben den Wähler zu mobilisieren.

Kommunalwahlen können dennoch interessant sein, zum Beispiel dann, wenn man in eine Region zugezogen ist und sein Umfeld noch nicht richtig kennt. Wenn man also noch nicht weiß, wie die nähere und weitere Nachbarschaft politisch tickt und ob sie überhaupt, und im welchem Maße, politisch interessiert ist. Natürlich hat man damit noch nicht den gesamten politischen Charakter der Region erfaßt, da sich Wähler manchmal regional anders entscheiden als auf Landes- oder Bundesebene. Die Kommunalwahl 2011 umfaßte hier sowohl die Kreis-, die Gemeinderats-, als auch die Ortsratswahl.

Das Land Niedersachsen bietet in erster Linie Natur und in zweiter Linie auch. Um so erstaunlicher ist es, wie die gegenwärtige politische Landschaft mit dieser Umwelt umgeht. Neben dem Dauerthema Atommüllendlager und den Agrarthemen, wie Pflanzenanbau für Biosprit und Tierzuchtanlagen in industriellem Maßstab, ist hier insbesondere das Fracking und die CO2-Verpressung zu nennen. Gegnern dieser Technologie spielt die Politik immer die Arbeitsplatz- und Gewerbesteuer-Karte aus, das sind meist untaugliche Killerargumente. Bei der Massentierzucht werden in der Regel keine inländischen Arbeitsplätze geschaffen, wie jüngst am Beispiel einiger Objekte bekannt wurde.

Wenn man nun verhindern möchte, daß im näheren Umfeld CCS (Carbon Dioxide Capture and Storage) angewandt wird, dann kann man sich nicht auf die etablierten Parteien stützen. CDU, FDP und SPD haben sogar den Einsatz dieser Technologie als ein mögliches Element des Klimaschutzes in ihr jeweiliges Parteiprogramm aufgenommen. Auf der Suche nach Gegnern dieser Technik – aber auch allen anderen Umweltfreveln – wird man wohl nur bei den regionalen Wählervereinigungen oder den Grünen fündig.

Bei den ganzen Bürger für Irgendwas Parteien ist nicht immer sofort ersichtlich, wofür sie sich einsetzen und welche Ziele sie verfolgen. Außerdem spielen sie landes- oder bundespolitisch keine Rolle, hier fehlt ihnen der große Hebel. Anders bei den Grünen. Sie sind 1980 angetreten mit den Themen Umwelt und Natur, viel belächelt, aber beharrlich und stetig wachsend. Allerdings muß man auch den Wandel dieser Partei erkennen. Während ihrer Regierungszeit mit der SPD von 1998 bis 2005 waren sie außer beim Thema Dosenpfand praktisch unsichtbar. Heute haben sie offensichtlich sogar ihre Kernthemen aufgegeben und sich von der Umweltpartei zur Spezialpartei gegen Atomkraft gewandelt. Wie könnte es sonst anders sein, daß unwidersprochen die Verspritung von Futter- und Nahrungsmitteln gestattet ist, daß Massentierzuchten entstehen können, daß Verbrennungsgase im Erdreich verpreßt werden dürfen und daß es erlaubt ist Mithilfe giftiger Substanzen Erdöl/Erdgas aus tiefen Gesteinsschichten zu gewinnen. Das Versagen der Politiker in Berlin muß dann in solchen Punkten durch lokale Bürger- und Umweltverbände aufgefangen werden.

Die Grünen sind auch bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen die absoluten Stimmenzuwachsgewinner. Hier im Landkreis und im Gemeinderat konnten sie ihr Ergebnis im Vergleich zu den Wahlen von 2006 jeweils verdoppeln (Kreis 13,5% [7,3%], Gemeinderat 11,4% [5,7%]). Es bleibt zu hoffen, daß sie sich ihrem eigentlichen Auftrag für Umwelt und Natur wieder bewußt werden und sich zukünftig wieder stärker regional engagieren. Ob man allerdings bei einer Wahlbeteiligung von 45,6% bei einer Gemeinderatswahl (Kreis 51,6%) überhaupt noch von einer Wahl sprechen kann, darf bezweifelt werden. Es bleibt dann immer unklar, ob es sich dabei bereits um den Ausdruck eines politischen Protests oder einfacher Faulheit handelt. Wie wäre es zur Abwechslung mit einer Wahlbeteiligung von 75% und einem Anteil ungültiger Stimmen von 25 Prozent? Und sonst? Hier ist alles ziemlich rot, nur drei Kilometer weiter alles tief schwarz.
rh2011-09-001