In dem jüngsten Schreiben von Barclaycard, das weder Rechnung noch Werbung war, lautete der Betreff »Wir sagen Danke für 20 Jahre Treue«. Die Niederlassung Hamburg, so hieß es in dem Schreiben, würde nunmehr seit 20 Jahren bestehen und selbst sei man einer der ersten Kunden gewesen, der sich seinerzeit für die Barclaycard entschieden hatte. Ob soviel Freude wollte man sich mit einem DropStop bedanken. Dieses Teil – es handelt sich dabei um ein kreisrundes Stück Alufolie mit einem Durchmesser von ca. 7 cm – soll entsprechend modelliert in eine Weinflasche verbracht werden. Dem Mouton-Rothschild sei, so ausgestattet, fortan jede Chance genommen weiße Damast-Tischdecken zu beflecken. Da freut sich die Hausfrau.
Ein, zwei Sekunden nach dem Öffnen des Briefs dachte man zunächst an einen einfachen Scherz. Dann an einen Scherz, dessen tieferer Sinn sich dem Leser noch nicht wirklich erschlossen hatte und dann an einen simplen, schlechten Witz. Sicher bekommt man regelmäßig Briefe, denen kleine Gimmicks aufgespendet sind. Das sind meist aufgeleimte Visitenkarten, Jahreskalender im Scheckkartenformat oder unappetitliche Schoko-Taler. Man kann über manches hinwegsehen. Aber in einer Mailingaktion dem Kunden seine 20-jährige Kundentreue mit 45 Quadratzentimeter Alufolie zu danken ist weit unterhalb des Niveaus, das man von einer Bank erwarten darf. Hier wäre weniger mehr gewesen. Kaum vorstellbar, wie man in Gegenwart von Gästen mit diesem fummeligen Teil in einer Weinflasche hantiert. Den Marketingverantwortlichen bei Barclaycard mag man zugute halten, daß ihre Begeisterung bei der Bemusterung des DropStops wahrscheinlich proportional mit der Zahl der geleerten Weinflaschen stieg.
Und sonst, geht es noch schlimmer? Zumindest nicht im Direktmarketing. Der gewöhnlich unbeachtete, wöchentliche Aldi-Prospekt sticht mit seiner Headline schmerzhaft ins Auge. In einem dieser unvermeidbaren Christmas-Winterland-Fonts steht dort geschrieben: »Voller Vorfreude auf Weihnachten«.
Es sind noch ca. 70 Tage bis Weihnachten und rund ein-fünftel des Restjahrs ist noch übrig. Der letzte Rasen- und Heckenschnitt ist noch nicht erfolgt und der Wettermann spricht von Hochdruckgebieten mit 18 Grad Celsius. Und in dieser Zeit möchte Aldi bei uns die Vorfreude auf Weihnachten offensichtlich mit frischer Vollmilch und deutscher Markenbutter wecken. Oder wie ist dieses völlig sinnfreie Motiv zu verstehen? Da hilft auch nicht das Bild der Mutter, die scheinbar versucht ihre Tochter mit einem Kecks zu trösten. Die Kleine guckt, als hätte ihr IPad gerade nachhaltig seinen Dienst quittiert. Wahrscheinlich aber ist es so, daß die Reklameabteilung von Aldi zu kommunizieren versucht, die Backzeit habe wieder begonnen. Dann sollte man das auch tun, ganz einfach. Lidl kann das. Dort wird im Prospekt mit sinnfälligen Motiven auf die beginnende Jahreszeit des häuslichen Backens hingewiesen; verständlich und klar kommuniziert, unter Verzicht auf das schreckliche W-Wort.
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