E10 – Einer von 10 kann es nicht

E10 – Einer von 10 kann es nicht»Der mexikanische Bauer, der auf seine täglichen Tortillas verzichtet, damit wir in Deutschland weiterhin Auto fahren können, ist der wirkliche Held unserer Tage.«

Es ist erschreckend, daß Brüsseler Politiker – meist natürliche Ausscheidungsprodukte ihrer Regionalparlamente – Gesetze erlassen nach denen Futter- und Lebensmittel sozusagen »verdieselt« werden sollen um in bundesdeutschen Autotanks Verwendung zu finden. Dies in dem Glauben man könne damit die weltweite Ökobilanz verbessern. Hier wurde eine Vorschrift bar jeder Sachkompetenz und ohne strategischen Weitblick getroffen. Abseits des humanen Aspekts, daß Lebensmittel nicht mißbraucht werden dürfen, und eine künstliche Verknappung zu fatalen Folgen unter einer wachsenden Bevölkerung führen kann, bewirken zumindest Düngereinsatz und Monokulturen eine deutliche Abschwächung des Öko-Arguments.

Ebenso erschreckend ist, daß die deutsche Politik, es war wohl noch schwarz-rot, dieses Gesetz in vorauseilendem Gehorsam aufgriff und auf vorzeitiger Umsetzung bestand. Der VDA, einst sachkompetenter Verein in Sachen Automobilität, schätzte den Bestand von Fahrzeugen mit einer E10-Unverträglichkeit auf lediglich ca. 300.000. Tatsächlich ist die Zahl mehr als zehnmal so groß. Die nachgereichte dürre Erklärung, man hätte nur Fahrzeuge deutscher Hersteller gemeint, verschlimmerte noch den Eindruck fachlicher Inkompetenz.

Jetzt entscheidet der Verbraucher und will den angebotenen E10-Sprit nicht tanken. Mehrheitlich wohl nicht, weil er sein Gewissen nicht mit dem ganzen Umweltfrevel belasten möchte. Seine Sorge gilt vornehmlich dem Auto und der Frage ob der Kraftstoff langfristig verträglich sein wird. Die Mineralölwirtschaft bekommt zunehmend ein logistisches Problem und möchte den Kraftstoff am liebsten wieder – zumindest vorübergehend – vom Markt nehmen. Die Politik wiederum versteht vom Markt, vom Verbraucherverhalten und von Logistik überhaupt nichts und weist darauf hin, daß die Benzingesellschaften verpflichtet sind E10 zu verkaufen, da sie andernfalls Geldbußen an den Staat entrichten müssen.

Tatsächlich muß der Verbraucher, sozusagen von Gesetz wegen, höhere Benzinpreise bezahlen, wenn er sich nachhaltig weigert E10 zu kaufen. Denn nur über das Pricing können die Gesellschaften, auf Veranlassung der Politik, das Verbraucherverhalten wirksam beeinflussen. Das sind übrigens die gleichen Politiker, die sich über zu hohe Kraftstoffpreise beschweren.

Und in das ganze Durcheinander läßt die Ministerin für Verbraucherschutz, Frau Aigner, verlauten, daß die Mineralölkonzerne die Verantwortung zu mehr Aufklärung bezüglich der E10-Verträglichkeit haben. Liebe Frau Aigner, sie haben da etwas falsch verstanden. Der Tankwart kann ihnen noch nicht einmal den richtigen Luftdruck für die Befüllung der Reifen nennen weil das allein in ihrer Verantwortung liegt.
rh2011-03-003

Dr. Schavan in Unkenntnis

Dr. Schavan in UnkenntnisNach einer aktuellen Studie der Universität Hamburg sind ungefähr 15 Prozent (7,5 Mio.) der Erwerbstätigen den funktionalen Analphabeten zuzurechnen. Das sind Menschen, die zumindest keine zusammenhängenden Texte lesen oder gelesene gar verstehen können. Ungefähr 30 Prozent dieser Gruppe scheitern an Sätzen und ca. 5 Prozent sogar an einzelnen Wörtern. Ob dieser Zahlen gibt sich die Bildungsministerin alarmiert und will in den nächsten drei bis vier Jahren 20 Mio. Euro für ein Alphabetisierungsprogramm zur Verfügung stellen.

Es sollte doch zur Kernkompetenz einer Bildungsministerin gehören, daß sie ungefähre Kenntnis über den Bildungsstand der Republik hat. Wenn sie sich nur hin und wieder mit Lehrern der verschiedenen Bildungseinrichtungen unterhalten würde, wäre ihr bekannt, daß je nach Schulform zwei von zehn Schulabgängern zu der oben genannten Gruppe gehören und dies gilt schon seit Jahrzehnten. Die Lehrer würden ihr auch gleich die Gründe mitteilen wie es möglich ist, daß ein Schüler einen Schulabschluß erhält, obwohl er im eigentlichen Sinn gar nicht Lesen und Schreiben kann.

Reflexartig Gelder für ein Programm bereit zu stellen, das den Alphabetisierungsgrad verbessern soll, kann nur einer von zwei Schritten sein. Viel entscheidender ist es die Ursache zu bekämpfen. Das mangelnde Sozialverhalten der Schüler geht eindeutig auf das Konto der Familien, nicht der Schule. Für die fehlende Schreib-/Lesekompetenz der Schüler stehen allerdings ausschließlich Schule und Lehrer in der Verantwortung. Selbstverständlich gibt es links unten in der Normalverteilungskurve einen Bereich von Menschen, die partout nicht schreib-/lesefähig sind. Aber es gilt diese Gruppe möglichst klein zu halten. Unabhängig von sozialer, regionaler oder ethnischer Herkunft sollte zukünftig niemand mehr eine deutsche Schule verlassen, der nicht Lesen und Schreiben kann. Lesen und Schreiben muß aber geübt werden. Sollte dafür im Unterricht keine Zeit sein, muß für diese Gruppe der Raum geschaffen werden, notfalls durch Ausfall nicht lebensnotwendiger Inhalte. Wenn man in diesem Zusammenhang – mehr durch Zufall – lernt, daß in vielen Bundesländern Diktate nicht mehr zur Leistungsmessung der Schüler herangezogen werden sollen, sondern sich dies an eigenen Texten orientieren soll, wird klar, daß das Schiff »Bildung« irgendwann einmal völlig vom Kurs abgekommen ist und wieder eingenordet werden muß. Lehrer sind (überwiegend) Beamte, Rektoren auch und Kultusminister sowieso. Da müßte doch was möglich sein.

Und was ist überhaupt mit dem Rechnen?
rh2011-03-002

Dr. Merkel im Dilemma

Dr. Merkel im DilemmaUnsere Bundeskanzlerin ist bekannt dafür, daß ihr Entscheidungen unter Unsicherheit ein Greuel sind. Sie wartet ab – taktiert dabei noch nicht einmal, bis Entscheidungsthemen ihr natürliches Ende und damit eine beliebige Mehrheit gefunden haben. Dann schließt sie sich dieser Mehrheit nicht nur an, sondern versucht sich gleichsam als deren Sprecher. Dieses Verhalten, das man sich wohl nur als Politiker leisten kann, ist zwar offensichtlich, aber anscheinend nicht einmal peinlich.

Nun könnte sich das ständige Zaudern rächen, da sie sich in dieser Angelegenheit sehr eng mit dem Schicksal ihres Verteidigungsministers verbunden hat. Ihr wird klar geworden sein, daß sie sich gerade durch ihr Zögern in eine eindeutige lose-lose Situation (no-win situation) manövriert hat. Sie hat das Zeitfenster, in dem sie noch die Notbremse hätte erreichen können, tatenlos vorbeiziehen lassen. Alles was die Medien, die zurecht aufgebracht sind, jetzt noch an neuen Negativschlagzeilen hervorbringen, wirkt automatisch auch gegen sie. Trennt sie sich hingegen von dem Minister käme das einer persönlichen Bankrotterklärung gleich. Geht er, durch Druck oder auf Empfehlung von Parteifreunden, kann sie gleich hinterhergehen.

Ihr Verhalten und die Verlautbarungen anläßlich der Übergabe des offenen Briefes mit über zwanzigtausend Unterschriften aus dem akademischen Umfeld zeigen ihre Einstellung. Sie seziert die Person, trennt dabei Funktion und Persönlichkeit und reduziert den Verteidigungsminister auf die bloße Funktion. Persönliche Eignung und charakterliche Eigenschaften spielen offenbar keine Rolle. Das ist völlig untauglich und zeigt einen recht armseligen Anspruch, den sie an ihre Mitarbeiter/Minister hat.

Es bleibt zu hoffen, daß der gesamte Vorgang nun schnellstmöglich auf die richtige Weise beendet wird und der nächste Bundeskanzler ein redegewandter Geisteswissenschaftler sein wird.
rh2011-03-001

Baron gut überm Berg

Baron gut überm BergNachdem in dieser Angelegenheit vermutlich sämtliche Pros und Cons diskutiert und ausgetauscht wurden, soll eine kleine Zwischenbilanz gezogen werden. Es ist schon erstaunlich, wie sich ein Minister nach einer ganzen Serie von Fehlleistungen und Fehlentscheidungen einer Zustimmung in der Breite der Bevölkerung von gemessenen ca. 75 Prozent sicher sein kann. Diese Zustimmung wird es auch sein, die den Baron in der Fahrspur seiner politischen Karriere halten wird. Schlimmstenfalls, sollten noch weitere Verfehlungen an die Öffentlichkeit gelangen, wird man ihn vorübergehend nach München zurückbeordern müssen, um ihn aus dem Schußfeld der Bundespolitik zu holen. Eine europäische Lösung, also die Entsorgung des Problemkandidaten nach Brüssel, scheidet aus, seitdem in Brüssel bindende Gesetzgebung gemacht wird und die einst Geschmähten jetzt späte Rache üben könnten. Außerdem ist 2011 ein Wahljahr und die Strahlkraft des Freiherrn soll die CDU/CSU zu neuen Höhen führen. Am Ende wird der Baron wieder freiherrlich strahlend auf der bundespolitischen Bühne stehen und zu größeren Aufgaben als die der Landesverteidigung berufen sein.

Eine überwältigende Bevölkerungsmehrheit von zweidrittel oder sogar dreiviertel, je nach Umfrageinstitut, steht zu dem Minister und hat dabei nur ein einziges Argument: »Das ist doch alles nicht so schlimm.« Eine argumentativ starke Minderheit tobte sich noch jüngst in Fernsehinterviews, Zeitungsbeiträgen und vor allem den Internetforen aus und lieferte eine unüberschaubare Vielzahl von Fakten und Gründen warum dieser Minister nicht länger sein Amt bekleiden dürfe. Demnach stehen sich gegenwärtig in Deutschland zwei Lager gegenüber. Eine große, argumentarme Mehrheit und eine hochagile, emotional frische, intellektuelle Minderheit. Es wird kaum zu erwarten sein, daß die gefühlte Meinungsmehrheit bei der Massenmehrheit einen Gesinnungswechsel hervorrufen kann. Hier wäre wahrscheinlich selbst die geballte Medienkraft machtlos. Am Ende wird der Fall zu Guttenberg nur noch Interesse bei Soziologen, Medienwissenschaftlern und vielleicht Psychologen wecken und für einen kleinen Scherz am Rande einer Talkshow geeignet sein. Die objektiv kleinere Meinungsmehrheit wird hingegen stärker und nachhaltiger enttäuscht sein über die politische Landschaftsentwicklung in der BRD, die schon längst mit Bananen Republik Deutschland übersetzt wird.

Schließlich stellt sich noch die Frage nach der Praxistauglichkeit des Freiherrn, die sich an der einfachen Fragestellung orientiert ob er in der privaten Wirtschaft eine Funktion ausüben könnte. Ein Unternehmer muß mindestens 50 Prozent richtige Entscheidungen treffen um langfristig erfolgreich unternehmerisch handeln zu können. In der bundespolitischen Arbeit hat der Baron aber bisher nicht eine einzige veröffentlichte richtige Entscheidung getroffen oder getroffene Entscheidungen schlüssig erklärt. Die Zustimmung zur Restrukturierung der Bundeswehr war budgetgetrieben und damit auch bei der Opposition einfach durchzusetzen, und stellt demnach keine echte Leistung dar. Das Krisenmanagement um seine Doktorarbeit war so schlecht, daß er auch für eine Anstellung in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens oder als Repräsentant ungeeignet wäre. Wahrscheinlich bleibt am Ende doch nur der Politikbetrieb als einziges Betätigungsfeld.
rh2011-02-001