Fast Drei Prozent

Fast Drei ProzentNoch bis vor wenigen Jahren wurden die Abkürzungsbuchstaben der FDP durch drei Punkte voneinander getrennt. Das entsprang offensichtlich irgendwelchen krausen Ideen kreativer Werbetreibender. Daraus wurde scherzhaft die Abkürzung für fast drei Prozent, was in etwa auch den damaligen Wahlergebnissen bei Landtags- und Bundestagswahlen entsprach. Die FDP begab sich in die von Besserverdienenden eingerichtete Wohlfühlecke und spielte das Zünglein an der Waage. Und ab und an durfte sie bei den Großen mitspielen. Heute ist die Aufregung groß, daß die Partei nach kleinen Höhenflügen vergangener Wahlen wieder in diese Größenordnungen von fünf Prozent zurückgekehrt ist. Tatsächlich war sie aber nie woanders.

Das Desaster begann am Abend des 27. September 2009 anläßlich der Wahl zum 17. deutschen Bundestag. Die FDP erzielte ein Wahlergebnis von 14,6 Prozent. Herr Dr. Westerwelle interpretierte dies als breite Zustimmung zu seiner Partei, dem Parteiprogramm der FDP, aber vor allem empfand er das als eine auf seine Person bezogene Sympathiebekundung der Wähler. Nichts von dem stimmte, aber niemand traute sich offenbar ihm das zu erklären. Die FDP wurde erstmals in bedeutender Zahl auch von langjährigen CDU-Wählern gewählt, die damit die Fortsetzung der großen Koalition verhindern und die zunehmende Sozialdemokratisierung der CDU stoppen wollten. Dieser Schritt hat zwar wirkliche Überwindung gekostet, war aber erforderlich. Und die Rechnung ging auf, scheinbar, aber nur für kurze Zeit. Es wird wohl in die Geschichte eingehen, wie ein selbstsüchtiger Parteivorsitzender, bei dem autistische Züge zweifelsfrei erkennbar sind, seine Partei binnen Jahresfrist fast vollständig zerlegen konnte. Daß seine Parteifreunde das ganze Schauspiel eineinhalb Jahre tatenlos mit ansahen und erst dann korrigierend eingriffen, um ihm den Parteivorsitz zu entziehen, hat noch eine ganz besondere Qualität.

Aber jetzt will die FDP sich neu positionieren und noch einmal durchstarten. Dafür labelt sie um. Herr Dr. Westerwelle gibt sein Etikett Parteivorsitzender ab und Herrn Dr. Rösler wird dieses Label umgehängt. Das ist bisher alles. Herr Dr. Rösler wurde kurz nach seinem Amtsantritt als Bundesgesundheitsminister in einer schwierigen Verhandlungsphase in einem Fernsehinterview gezeigt, wie er mit weinerlicher Stimme verkündete, daß er gehen würde, wenn man ihn nicht haben wolle. Ob das für einen Parteivorsitzenden reichen wird?

Es ist auch belanglos, welche personellen Konsequenzen in dieser Angelegenheit noch zu erwarten sind. Es spielt auch keine Rolle mehr, ob noch der Wirtschaftsminister oder der Außenminister den Stuhl räumen müssen. Der Wurm liegt von Anbeginn an in der gesamten Koalition (Wildsäue und Gurkentruppe) und wird sich wohl bis zum Ende der Legislaturperiode hinziehen. Sie hat nichts Wesentliches hervorgebracht. Nach eineinhalb Jahren erinnert man sich daran, daß mit unglaublicher Vehemenz um ein paar Cent für Hartz IV Empfänger gerungen wurde. Und sonst?

Also, nächste Wahl lieber wieder das Original wählen oder doch vielleicht die Grünen, das sind ja schließlich auch Originale.
rh2011-04-001

Keine rationale Politik

Keine rationale PolitikDa wird Herr Brüderle aus einem Protokoll einer internen BDI-Runde vom 14. März 2011 – das ist übrigens der bewußte Montag, an dem alle Regierungsverantwortlichen ihre Haltung zur Atomkraft revidiert hatten – mit den Worten zitiert, daß das Atom-Moratorium den bevorstehenden Wahlen geschuldet, und politische Entscheidungen gegenwärtig nicht immer rational seien. Inhaltlich ist dies keine Sensation und steigert den Erkenntnisgewinn des Wählers ungefähr so, wie die Aussage, daß die Erde keine Scheibe sei. Dennoch stellen sich spontan zwei Fragen. Was ist der Grund für diese, von Politikern nicht zu erwartende Ehrlichkeit, und warum kommt diese Information erst zehn Tage nach der besagten BDI-Sitzung? Zur zweiten Frage: Das Protokoll war erst jetzt fertig oder die SZ kam erst jetzt in den Besitz des Protokolls. Oder wurde nicht vielmehr der ideale Zeitpunkt für die Veröffentlichung gewählt in dem die Nachricht noch ihre volle Wirkung entfalten kann, also nicht zu früh aber auch nicht zu spät vor den wichtigen Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz?

Die Beweggründe für Brüderles Ehrlichkeitsschub sind unklar. Vielleicht will er sich bei der Atom-Industrie anbiedern und ist auf der Suche nach einem lukrativen Posten mit zusätzlicher Altersversorgung. Vielleicht war es auch nur Dummheit oder Achtlosigkeit in der vermeintlichen Sicherheit eines geschlossenen Gesprächskreises hinter verschlossenen Türen. Im Ergebnis war die regierungsseitige Aufregung und der Spott der Opposition erwartungsgemäß.

Brüderles Dementi ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Und da war sie dann wieder, diese Unglaubwürdigkeit eines Politikers der sich verbiegt, weil er in die Ecke getrieben wurde. Seine Erklärung: Er wurde falsch zitiert. Der politische-GAU scheint nun perfekt. Aber es kommt noch besser. Nur einen Tag später tritt Herr Dr. Schnappauf, BDI-Geschäftsführer, zurück, da er sich für die entstandene Indiskretion verantwortlich fühlt. Dieser Mann tritt sicher nicht zurück, weil er einen Fehler seines Protokollanten übersehen hat, sondern weil er sich der politischen Brisanz des Protokollinhalts an dieser Stelle nicht bewußt war. Damit dürfte es am Wahrheitsgehalt der zitierten Aussagen des Herrn Brüderle zu Atom, Moratorium und Wahlen keinen Zweifel mehr geben. Genau so wie seit Tschernobyl bekannt ist, daß Atomkraftwerke generell unsicher sind und Fukushima nur nochmals eine Bestätigung hierfür liefert, genau so haben wir durch Herrn Brüderle eine eindrucksvolle Bestätigung dafür erhalten was wir schon immer wußten, daß eine Vielzahl von Politikern die Wähler dreist belügen.

Frau Dr. Merkel hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von schwerwiegenden Fehlentscheidungen getroffen. Auch in der Atomfrage wäre es besser gewesen statt eines dreimonatigen Moratoriums eine einfache Besinnungsphase einzuläuten in der die öffentliche Diskussion rund um das Thema Atomkraft neu angeregt würde. Am Ende der Diskussion hätte dann ein gemeinsamer, gesellschaftlicher Konsens zur Atomenergie stehen können. So sind jedoch die Zweifel nur noch größer geworden. Sind die Kernkraftwerke sicher? Folgt die Regierung allein den Interessen der Atom-Industrie? Werden wir weiterhin in diesem Punkt belogen?

So zucke ich jedesmal zusammen, wenn Frau Dr. Merkel einen ihrer Sätze mit den Worten »und ich sage« oder noch schlimmer »und ich sage ganz klar« einleitet. Dann weiß man, daß jetzt Halbwissen und Halbwahrheiten folgen. Es wäre schön, wenn Politiker – auch als Lehre aus den Vorfällen der letzten Monate – zukünftig mehr Wahrheit und Ehrlichkeit wagen würden. Zumindest als Experiment.
rh2011-03-009

Kernkraft der Landtagswahlen

Kernkraft der LandtagswahlenErst am vergangenen Sonntag konnte die interessierte bundesdeutsche Öffentlichkeit Frau Dr. Merkel erleben, wie sie – bei allem Mitgefühl für das japanische Volk – erklärte, daß die Katastrophe in Japan nichts an der Sicherheitslage deutscher Kernkraftwerke verändert habe. Ferner sei Deutschland nicht von Erdbeben dieser Stärke und auch nicht von Tsunamis bedroht. Sie nahm dabei eine technokratische Haltung ein. Das ist im weitesten Sinne eine Politik, die ohne den Menschen stattfindet. Zur gleichen Zeit liefen schon Demonstrationen gegen die Kernkraft, aber Frau Dr. Merkel gab sich nachdrücklich zufrieden mit der Entscheidung über die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Um dies zu unterstreichen sah man anschließend auf allen Sendern Herrn Kauder, seines Zeichens Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, der diese Aussagen nochmals gebetsmühlenartig wiederholte »die deutschen Kernkraftwerke sind sicher«. Aber der Wähler goutiert dies nicht.

Bereits zum Zeitpunkt der Katastrophe hat der überwiegende Teil der Öffentlichkeit verstanden, daß Kernkraft letztendlich nicht beherrschbar ist, und es sich dabei um eine null-fehlertolerante Technik handelt. Ja, daß selbst die hochtechnisierte und drittgrößte Volkswirtschaft der Erde hilflos mit ansehen muß, wie ihre Meiler abfackeln.

Dann erst, kaum 24 Stunden später, und damit wieder einmal viel zu spät, reagiert unsere Regierung und vollbringt eine 180° Kehrtwende um dem erstaunten Publikum ein dreimonatiges Moratorium zu erklären, das das Gesetz zur Laufzeitverlängerung zunächst außer Kraft setzen soll. Soviel Ungeschick ist kaum zu ertragen. Es ist wieder einmal der Fehler im Fehler. Spätestens jetzt ist klar:

  • Politiker brauchen viel zu lange um Volksmeinungen zu erkennen, sie richtig zu interpretieren und dann daraus die richtigen Entscheidungen abzuleiten
  • grundsätzlich sind ihre Entscheidungen hochgradig abhängig von den Umfragewerten, zumindest wenn diese in einem deutlichen zeitlichen Zusammenhang mit Wahlen stehen
  • die Sicherheitskonzepte und die vorangegangenen Sicherheitsprüfungen der Kraftwerke sind zumindest nicht vertrauenswürdig
  • in einem Zeitraum von nur drei Monaten können zwar Wahlen gewonnen aber keine neuen Erkenntnisse aus einer komplexen Technologie gezogen werden

Selbst ein Hardliner und Atombefürworter erster Güte wie Herr Mappus, Baden-Württemberg, in dessen Landesgrenzen auch schon mal mit Gewalt gegen demonstrierende elderly Ladies vorgegangen wird, übertrifft das Moratorium indem der Landesfürst jetzt sogar den ältesten Meiler in seinem Beritt still legen lassen will. Ein Mensch, der noch vor nicht allzu langer Zeit seinen Parteikollegen, Dr. Röttgen, öffentlich scharf wegen dessen eher restriktiven Atompolitik kritisierte. Die letzte aktuelle Meldung auf der Homepage von Herrn Mappus datiert vom 1. März 2011. Die Zeit läuft im Ländle scheinbar anders.

Zu allem Überfluß, aber verwaltungstechnisch wohl relevant, stellt sich noch die Frage, ob die Regierung dieses Moratorium ohne Beteiligung des Bundesrates einsetzen durfte. Die Verwirrung scheint komplett. Sicher ist hingegen dies:

  • die Stromkonzerne werden sich den Gesetzesbruch, so er denn kommt, fürstlich bezahlen lassen
  • die Strompreise der kommenden Jahre werden allein durch das Politikergeplapper von Investitionen in Stromleitungen und Staubecken etc. steigen (ähnlich dem Benzinpreis bei der unbeholfenen E10 Einführung)
  • das Ansehen der Politiker beim Wähler wird nochmals weiter sinken
  • die einschlägigen Internetforen werden sich mit berechtigter Kritik an unseren Politikern weiter füllen
  • die Wahlurnen hingegen werden leerer und leerer

Und was sagt Herr Kauder jetzt zu der ganzen Entwicklung? Unsere Erdbeben und Tsunamis scheinen die Dummheit und fachliche Inkompetenz der verantwortlich Handelnden zu sein.
rh2011-03-007

Loud pipes save lifes

Loud pipes save lifesDer Anfangsverdacht richtete sich zunächst eindeutig gegen die EU. Elektrofahrzeuge sollen künftig Lärm erzeugen um Fußgängern zu signalisieren »hier kommt ein Auto«. Wer sonst sollte sich so etwas ausdenken können. Aber tatsächlich ist die Sache noch eine Stufe höher aufgehängt, nämlich auf UNO-Ebene.

Gut. Die neue Harley-Davidson durfte gar nicht erst mit zugestopften Stock Muffler auf die Straße kommen. Die Original-Tüten wurden ausgetauscht gegen solche von Super-Trapp, die dann mit 99 db in den Brief eingetragen werden konnten. Und wenn das alles noch nicht reichte konnte man die Rohre noch ausräumen und ein paar Scheiben am Ende weglassen. Das war dann aber spätestens illegal. Zur Rechtfertigung diente spaßeshalber das Argument, daß ein lauter Auspuff auch leben retten könne, da man früher gehört würde.

Die Beweggründe der UNO sind sicher ehrenhaft Fußgänger und vornehmlich behinderte Menschen weltweit zu schützen. Andererseits sind alle Verkehrsteilnehmer, Kraftfahrer wie auch Fußgänger, gleichermaßen mit Rechten und Pflichten ausgestattet. Mit einer derartigen Vorschrift werden gleich zwei Chancen vertan. Vordergründig könnte der Straßenverkehr in den kommenden Jahrzehnten nachhaltig leiser werden. Ein Ziel, das nun schon seit Jahren mit den aberwitzigsten Versuchen (Asphalt, Reifen, Lärmschutzwände, etc.) verfolgt wird. Andererseits könnte das der Beginn einer neuen Rücksichtnahme zwischen Autofahrer und Fußgänger werden. Der Autofahrer eines Elektromobils übt mehr Rücksicht und der Fußgänger läßt mehr Vorsicht walten. Ein Lernprozeß auf beiden Seiten von dem alle profitieren.

Interessant werden höchstens die Blüten sein, die das Thema treiben wird. Vielfältige Sounds werden per MP3 aus dem Internet herunter geladen. Es wird dann zulassungsfähige und absolut begehrte weil illegale Sounds geben. Die Geräuschkulisse »Postkutsche nach Laramie« wird dann in einer gemeinsamen Anhörung vom TÜV-Prüfer genehmigt oder eben abgelehnt. Hier hilft dann allerdings die ausgefeilte Technik weiter. Bei einer Verkehrskontrolle kann dann blitzschnell von Lamborghini auf Schafherde umgestellt werden.

Was ist dann eigentlich mit dem Radfahrer? Wird auch er verpflichtet ständig pfeifend oder mit einem Lied auf den Lippen durch die Gegend zu radeln?
rh2011-03-005