DSL via Funk

DSL via FunkBriefkasten auf, Rechnungen und Reklame raus. A5-Flyer mit grünen Wiesen und Feldern und darauf ein Resthof in Alleinlage. Alles klar, die Grünen sind im Kommunalwahlkampf. Doch halt, wo ist die Sonnenblume? Statt Sonnengewächs alles magenta und die Überschrift lautet »Endlich DSL-Tempo, wo es keiner vermutet!«. Ein Angebot der Telekom über eine Festnetz-Flatrate und Internet via Funk ebenfalls als Flatrate für insgesamt 39,95 EUR. Der Tarif nennt sich Call & Surf Comfort via Funk. Darunter in der üblichen Telekom Mikroschrift die Vertragsbedingungen, und nochmals darunter der Hinweis auf weiterführende Hilfe im Telekom Shop, dem Fachhandel oder der Hotline. Wer würde sich so etwas freiwillig schon antun?

Sollte die Telekom jetzt Ernst machen und das flache Land tatsächlich an das schnelle Internet anbinden wollen? Noch vor einem Jahr wurde meine Anfrage bezüglich der überaus schlechten UMTS/HSDPA Verbindung, die nicht über EDGE hinauskam, vom Kundenservice T-Online am 11. August 2010 schriftlich wie folgt beantwortet:

»Der UMTS-Sender der Sie versorgt befindet sich in 1,8 km nord-nord-west von Ihrem Standort aus. Damit sollte eine UMTS Versorgung außerhalb von Gebäuden gegeben sein. Innerhalb von Gebäuden kann dies jedoch, aufgrund der Funkdämpfung der Gebäude, abweichen. Ein weiterer Ausbau im Bereich … ist nach dem heutigen Planungsstand nicht vorgesehen.«

In dem Werbeflyer fehlt die Angabe, mit welcher Technik gefunkt wird, also HSPA oder LTE oder einfacher ausgedrückt, wird alte Technik (3G) oder zukunftsweisende Technik (4G) zum Einsatz kommen. Im Kleingedruckten gibt es den Hinweis, daß entweder der Telekom Router Speedport LTE oder Speedport HSPA zum Einsatz kommen würde. Bei letzterem handelt es sich allerdings um den Huawei B970b, der keine LTE-Unterstützung bietet.

Online gibt es auf den Seiten der Telekom zwar mehrfach den Hinweis auf LTE, aber die Verfügbarkeitsprüfung besagt lediglich, daß Funk möglich sei. Erst ein Anruf bei der Hotline bringt die gewünschte Klärung. Hier am Standort würde die Funkverbindung mittels HSPA erfolgen, also der Technik, die hier bereits heute Probleme bereitet; eine Übertragung, die Inhouse auf EDGE läuft und zum Beispiel notwendige Updates regelmäßig abbrechen läßt. Fazit: Unbrauchbar für den täglichen Einsatz.

Dazu paßt auch die merkwürdige Tarifstruktur von Call & Surf Comfort via Funk. Schon ab 3 GB im Monat wird die Übertragung von schon ärmlichen 3000 kbit/s auf nur noch 1000 kbit/s gedrosselt. Nach weiteren 2 GB im gleichen Monate erfolgt sogar eine nochmalige Drosselung auf 384 kbit/s, das entspricht dann Dorf DSL. Diese Leistungsmerkmale reichen vielleicht aus, um zweimal wöchentlich die letzten Lottozahlen zu kontrollieren, aber ein ernsthaftes Arbeiten ist damit nicht möglich.

Es entsteht der Eindruck, daß die Telekom unter maximaler Schonung ihrer Investitionsbudgets die Auktionsauflagen der Bundesregierung bezüglich der Breitband-Initiative erfüllen will. Dem Kunden, der vorher nichts hatte, könnte man entgegenhalten, daß er für ca. 10 EUR pro Monat (Call & Surf ohne Festnetz Flatrate) nicht mehr als DSL-Light erwarten dürfe. Das fatale an der Situation aber ist, daß die Telekom mit ihrer Brot und Butter Lösung, die vielleicht die zuvor genannten Auflagen des Konjunkturpakets II erfüllen mögen, nun überhaupt keine Notwendigkeit mehr sieht die Infrastruktur in diesem Gebiet noch weiter zu verbessern, weder unter noch über der Erde.

Vor diesem Hintergrund bleibt zu hoffen, daß Wettbewerber die Lücken erkennen und sie mit praxisgerechten Lösungen ausfüllen. Aktuell liegt ein Angebot über W-DSL vor. Das ist ebenfalls eine Funklösung, aber keine LTE und keine HSPA Technik. Das Angebot umfaßt eine Flatrate ohne Geschwindigkeitsdrossel mit 6000 kbit/s für 35 EUR pro Monat ohne Telefon. Geht es noch komplizierter?
rh2011-08-006

Wellen an der Kiellinie

Wellen an der KiellinieAls Exil-Kieler verfolgt man am Rande natürlich die schleswig-holsteinische Landespolitik ein wenig mit. Schleswig-Holstein ist zwar mit Abstand das schönste Bundesland von allen, aber es ist wirtschaftlich und politisch eher unbedeutend. Gerade daher ist es interessant zu sehen, welche medienwirksamen Fehlleistungen die Landespolitiker an der Förde erzeugen können. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei spielt dabei offensichtlich keine Rolle, aber die Skandaldichte scheint im Norden besonders hoch zu sein.

Barschel

Man darf zum Beispiel an den Skandal Waterkantgate erinnern. Die Stichworte hierzu lauten: Barschel, Spiegel, Pfeiffer, Engholm. Dr. Uwe Barschel, der am 13. September 1987 knapp zum Ministerpräsidenten wiedergewählt wurde, sagte am Freitag darauf in einer Pressekonferenz, die deutschlandweit für erhebliches Aufsehen sorgte:

»…, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holsteins und der gesamten deutschen Öffentlichkeit, mein Ehrenwort – ich wiederhole – ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.«

Genau vierzehn Tage später mußte der Ministerpräsident Dr. Barschel auf Druck seiner Partei den Hut nehmen. Ein Mann, der öffenlich sein Ehrenwort gegeben hat. Alles Weitere ist bekannt.

Engholm

Auch die Laufbahn seines Nachfolgers, Björn Engholm, nahm ein unrühmliches Ende. Offensichtlich war die zurückliegende Barschel-Pfeiffer-Affäre noch längst nicht zu den Akten gelegt worden. Sie hatte noch genug Kraft um auch Jahre später den Ministerpräsidenten Engholm aus seinem Amt zu drängen. Im Zusammenhang mit der sogenannten Schubladenaffäre wurde der Ministerpräsident der Unwahrheit überführt, und mußte im Mai 1993 von seinem Amt zurücktreten.

Simonis

Sein direkter Nachfolger, und später im Rahmen privater Fernsehauftritte als Hoppel-Heide verspottete Ex-Politikerin, wurde Heide Simonis. Frau Simonis hatte es im Grunde genommen nicht mit einem richtigen Skandal vom Format der Waterkantgate zu tun, aber auch sie erhielt im Jahr 2005 bundesweite Presse. Im Rahmen ihrer Wiederwahl trat sie im Februar in einer Montags-Talkshow der ARD auf und antwortete auf die Frage nach ihrer politischen Zukunft im Falle einer großen Koalition im Kieler Landtag:

»Und wo bleibe ich dabei?«

Nie zuvor hat ein Politiker so spontan, direkt, mit klarer Formulierung und tiefgründiger Ehrlichkeit zugegeben, daß ihm seine persönliche Zukunft wichtiger sei, als das Wohl des Landes und seiner Bevölkerung. Dazu paßt dann auch das Bild, daß sie am 17. März 2005 im Kieler Landtag von sich abgegeben hat. In vier Wahlgängen versuchte sie die Mehrheit, die für das erneute Entern des MP-Stuhls erforderlich gewesen wäre, zu erzwingen. Viermal jedoch ließ sie jemand aus ihrer Partei am ausgestreckten Arm verhungern. Der Unbekannte wurde später verächtlich der Heide-Mörder genannt.

Carstensen

Ihr Nachfolger, Peter Harry Carstensen, öffentlich meist mit vertauschten Vornamen angesprochen, hatte keine Skandale, aber er hatte auch keine öffentliche Aufmerksamkeit. Mit einer kleinen Ausnahme. Er versuchte gleich zu Beginn seiner Amtszeit über die Bild-Zeitung eine Sozialpartnerin für sich zu finden, was er allerdings später wohl bereute. Ansonsten fand Herr Carstensen südlich der Elbe oder in den einschlägigen Polit-Talkshows nicht statt.

von Boetticher

Noch bevor Betulichkeit in Schläfrig-Holstein wieder einziehen konnte, erregt nun ein neuer Skandal, wiederum mit bundesweiter Beachtung, die Menschen. Auslöser ist diesmal der CDU-Spitzenkandidat Dr. Christian von Boetticher, der nach den Vorstellungen der CDU im kommenden Jahr zum Ministerpräsidenten des Landes gewählt werden sollte. Der Kandidat gestand auf einer Pressekonferenz sehr emotionsgeladen seine kurze, aber, nach eigenen Worten, sehr intensive Beziehung zu einer damals Sechzehnjährigen aus Nordrhein-Westfalen Anfang 2010. Bereits nach wenigen Monaten beendete er das Verhältnis wieder, da es seiner weiteren Karriere abträglich geworden wäre. Er wurde seinerzeit parteiintern zum Nachfolger von Peter Harry Carstensen auserkoren.

Heute, gut ein Jahr später und nur neun Monate vor den nächsten Landtagswahlen, beschließt die SH CDU, daß Herr von Boetticher von allen Ämtern zurücktreten soll, da sein Verhalten, das übrigens nicht justiziabel ist, gesellschaftlich keine Akzeptanz finden würde. Diese Entscheidung führte zum besagten Presseauftritt. Einen Beschluß mit derartiger Begründung würde man üblicherweise in Regionen mit überwiegend katholischem Bevölkerungsanteil verorten. Aber das trifft auf Schleswig-Holstein nun gar nicht zu. Ist die Gesellschaft, die tagtäglich mit den unterschiedlichsten Lebensmodellen konfrontiert wird, nicht viel weiter als die Landes-CDU? Man könnte sich zwar fragen, wie ein Vierzigjähriger strukturiert sein mag, der eine Beziehung zu einer minderjährigen jungen Dame unterhält. Aber deswegen muß er ja kein schlechter Politiker sein. So ganz nimmt man der CDU die Begründung nicht ab. Oder gab es am Ende doch Zweifel an der politischen Eignung des Kandidaten? Im Ergebnis, nicht aber in der Beurteilung, hat die CDU Schleswig-Holsteins dennoch richtig gehandelt. Ein Mensch, der seine große Liebe der eigenen Karriere wegen opfert, dem fehlt die charakterliche Eignung für ein höheres politisches Amt.
rh2011-08-005

Firefox 3.6 schon veraltet

Seit Wochen signalisieren die beiden WordPress Installationen, beim Web-Hoster und auf dem heimischen Server, den Bedarf eines Updates von der Version 3.1.3 auf 3.2.1. So groß würde der Unterschied wohl nicht sein, aber über einige Unstimmigkeiten wurde schon in den einschlägigen Internet-Foren berichtet. Echte Innovationen, neue Features und schlichte Bugs, die Grenzen scheinen allgemein immer mehr zu verschwimmen. Also erst einmal nachsehen, was sich wirklich geändert hat. Zunächst wird die lokale Installation einem manuellen Update unterzogen, Dateien hin und her kopiert, …/upgrade.php, klick und fertig. Nach dem ersten Start von WordPress springt dem Betrachter ein senffarbener Störer mit der Aufdringlichkeit einer Reklame für Big-Mac plus Cola und Pommes gratis ins Auge.

Eingeschränktes Nutzungserlebnis möglich
Eingeschränktes Nutzungserlebnis möglich

Auf der visitenkartengroßen Fläche ist zu lesen, daß der installierte Web-Browser Firefox veraltet sei. Was bitte bedeutet veraltet? Außerdem bedeutet alt nicht zwangsläufig auch schlecht.

Dann muß Firefox also auch ein Update erhalten. Tatsächlich gibt es eine Auffrischung von der Version 3.6-Punkt-irgendetwas auf 3.6.18. Wie sich aber herausstellen wird, geht es im Kern um einen vollständigen Generationswechsel auf die Version 5 des beliebten Browsers. Nach dem kleinen Update und dem obligatorischen Neustart von Firefox 3.6.18, erscheint zum einen der Hinweis auf das neue Firefox 5, aber auch die Mahnung den Adobe Flash Player zu aktualisieren. Andernfalls könne Firefox eine reibungslose Arbeit nicht garantieren. Also noch ein Update.

Der Web-Browser Firefox 3.6 wurde Anfang 2010 und die Version Firefox 5.0 im Juni dieses Jahres veröffentlicht. Es handelt sich bei dem grellen Hinweis vermutlich mehr um schlecht gemachte Werbung für Firefox als um eine systemisch technische Anforderung. Wenn Werbung notwendig oder gewünscht ist, dann sollte das offen als werbliche Kommunikation dargestellt werden. Sollten hingegen die Anforderungen von WordPress an einen Browser derart hoch geschraubt worden sein, dann lägen die Probleme in der Entwicklung von WordPress selbst.

Betrachtet man die Methoden von Google, seinen Browser Chrome durchzusetzen, tritt erstaunliches zu Tage. Bei einem Update von Adobes Flash Player ist die Installationsoption von Google Chrome ebenso vorbesetzt, wie zum Beispiel beim Download des Systemtools CCleaner.

CCleaner empfiehlt Google Chrome
CCleaner empfiehlt Google Chrome

CCleaner ist ein hervorragendes Programm, aber wie stellt man schlüssig die Verbindung zu einem Web-Browser her? Erfreulich ist, daß noch Abwahlmöglichkeiten vorhanden sind. Es bleibt aber eine Frage der Zeit sein, wann so etwas als normaler Beifang einfach ungefragt mitgeladen wird.

Der irritierte User kann in der WordPress-Situation zwei Dinge tun. Er kann einfach blind auf Firefox 5 upgraden und alles ist wahrscheinlich gut. Oder er bedient WordPress 3.2.1 zunächst einmal weiter mit Firefox 3.6.18, bewertet sein persönliches Nutzungserlebnis, wie es auf dem Werbeschildchen so schön heißt, und beurteilt dann, ob eine Browser-Erneuerung angebracht wäre. Das ganze vorzugsweise zunächst auf einer Testinstallation.
rh2011-08-004

Jenseits des Euros

Jenseits des EurosDer Präsident der europäischen Kommission, José Manuel Durão Barroso, ausgestattet mit einer hohen fachlichen Kompetenz in Sachen Politik und Wirtschaft, und einem echten Interesse an einem stabilen und prosperierenden Europa, tat seinen Job bisher, soweit zu erkennen war, souverän und ohne affektierte Eitelkeit, die sonst bei nationalen Politikern so häufig zu beobachten ist. Bei öffentlichen Auftritten formuliert er klar und präzise, was er denkt und was er zu tun gedenkt. Raum für Mißverständnisse konnte sich so meist nicht bilden. Und nun das. Mit seinem Brief vom 3. August 2011 an die siebzehn Staats- und Regierungschefs der Euro-Inhaber-Länder hat er nicht nur bei den nationalen Parlamenten und Parteien Irritation und Fassungslosigkeit ausgelöst, auch die Finanzbranche ist desorientiert, und Millionen privater Geldanleger sind einmal mehr in großer Sorge um den Wert ihrer Ersparnisse.

Noch vor 14 Tagen gab sich dieser Kommissionspräsident öffentlich zufrieden mit dem Ergebnis des vorläufig letzten, eilig einberufenen Sondergipfels zur Rettung des Euros am 21. Juli 2011. Es sei, so seine Formulierung, ein »glaubwürdiges Paket« geschnürt worden, und sagte wörtlich:

»Ladies and Gentlemen,
we needed a credible package,
we have a credible package.«

Heute klingt alles ganz anders. Plötzlich ist das vor wenigen Tagen erreichte nicht mehr genug. In diesen wenigen Tagen hat sich allerdings nichts Entscheidendes verändert. Griechenland ist völlig pleite und liegt komatös auf der Intensivstation. Irland und Portugal liegen nur zwei Betten weiter, sind aber noch ansprechbar. Italien und Spanien haben längst ihre schwere Diagnose erhalten und bereiten sich auf den Gang ins Krankenhaus vor. Zypern wird wahrscheinlich aufgrund einer beschädigten Stromversorgung implodieren. Die Finanzsituation der USA ist ein Fiasko, die neuesten Arbeitsmarktzahlen möchte man gar nicht erfahren, und China bekommt seine Inflation nicht in den Griff. Aber sonst ist eigentlich alles in Ordnung oder weiß Herr Barroso mehr?

In seinem als Brandbrief bezeichneten Schreiben an die siebzehn Staats- und Regierungschefs bezeichnet er die Entwicklung der Anleihemärkte in Italien, Spanien und weiteren Euro-Mitgliedsstaaten als zutiefst besorgniserregend. Ferner stellt er fest, daß die mutigen Entscheidungen vom 21. Juli 2011 nicht die gewünschte Wirkung auf die Märkte zeigen. Neben den Gründen des Scheiterns, wie globale wirtschaftliche Unsicherheit, sieht er an erster und wichtigster Stelle die Komplexität und Unvollständigkeit des Juli-Pakets und die undisziplinierte Kommunikation im Umgang mit diesem Paket. Die Krise erstrecke sich auch nicht mehr ausschließlich auf den Rand der Eurozone. Barroso bittet in seinem Brief die Parlamente der Länder um eine beschleunigte Abwicklung der Genehmigungverfahren der EFSF-Darlehen.

In einem entscheidenden Punkt seines Briefes läßt Herr Barroso es leider an Deutlichkeit fehlen. Darin bittet er um eine zügige Neubewertung aller Elemente, die im Zusammenhang mit EFSF/ESM stehen, um sicherzustellen, daß sie bei einer Ansteckung auch wirken:

»I also take the opportunity to urge a rapid re-assessment of all elements related to the EFSF, and concomitantly the ESM, in order to ensure that they are equipped with the means for dealing with contagious risk.«

Erst eine Sprecherin der europäischen Kommission machte auf Anfrage klar:

»When he speaks about all elements it means all elements, and all elements may well include the size.«

Mit anderen Worten, es soll auch noch einmal die Größe des Euro-Rettungsschirms, der gegenwärtig 440 Milliarden Euro umfaßt, überprüft werden.

Außer in den eigenen Reihen hat Herr Barroso keinerlei Zustimmung zu seiner Briefaktion erhalten. Sogar die Börsen haben regiert, allerdings negativ. Dabei ist es doch Allgemeingut, daß Börse und Kapitalmärkte sehr viel mit Psychologie zu tun haben. Dies scheint jedoch noch nicht zu Herrn Barroso vorgedrungen zu sein. Offensichtlich hat er geglaubt, daß ein bunter Haufen Staats- und Regierungschefs, die alle in hohem Maße auch nationalen Interessen folgen, die Finanzmärkte durch ein mit heißer Nadel gestricktes Kompromißpapier nachhaltig beruhigen kann. Diese Fehleinschätzung beunruhigt weit mehr, als die Tatsache, daß die Kapitalbeschaffungszinsen für Italien und Spanien in den letzten Tagen weniger als erhofft gesunken sind. Herr Barroso beklagt in seinem Schreiben, daß die disziplinlose Kommunikation rund um das Rettungspaket ein wichtiger Faktor seiner Wirkungslosigkeit war. Mit seinem Schreiben aber reiht er sich nun ein in die Schlange der Undisziplinierten.

Am Ende bleibt die Frage, was Herrn Barroso verleitet hat diesen Brief zu schreiben. Sicher nicht, um sich von einem Sprecher des deutschen Finanzministeriums abkanzeln zu lassen. Oder weiß er mehr, als unsere Regierungsvertreter sich trauen uns mitzuteilen und sind wir schon längst jenseits des Euros? Das wäre in der heutigen Zeit und der Informationsdichte über die wir verfügen eher unwahrscheinlich. Vielleicht war es nur eine einfache Form der Dummheit. Wenn da nicht Herr Trichet, oberster Boß der EZB, zeitgleich und regelwidrig wieder damit begonnen hätte Staatsanleihen zur Stützung der Euro-Länder aufzukaufen. Ist also doch etwas faul im Euroland? In Demokratien brauchen Entscheidungsprozesse ihre Zeit, so wie die darauf folgenden Wirkprozesse ihre Zeit brauchen. Dann ist es geradezu kontraproduktiv planlos am Ruder zu zerren, da man sich damit selbst der Chance beraubt zu erkennen, welche Maßnahmen wirken und welche nutzlos sind. Dann ist es einfach besser die Füße still und mal die Klappe zu halten.
rh2011-08-003