Jürgens Rückfahrt, Björnsen winkt

Jürgen hatte sich auf der Suche nach seinem Wunschfahrzeug von dem Starverkäufer Marc (wir berichteten) verabschieden müssen, da Marc offensichtlich ein gestörtes Verhältnis zu Kunden im allgemeinen und seinem Job als Automobilverkäufer im besonderen hat. Bevor sich Jürgen bei seiner Autosuche nun gänzlich auf das Internet stützen würde, kontaktierte er noch ein Autohaus der von ihm favorisierten Marke in der benachbarten Kreisstadt. Dort hätte man, so beschied ihm ein Branchenkollege von Marc am Telefon, sein Wunschfahrzeug zwar nicht vorrätig, aber ein Kundenfahrzeug, das kurz vor der Auslieferung stünde, sei zu besichtigen.

Drei Stunden später stand Jürgen auf dem Hof des Händlers, begann das Fahrzeug gemessenen Schrittes zu umrunden und fand sich schließlich in seiner Wahl bestätigt. Ihm reichte die Papierform des Fahrzeugs, Probefahrt oder Sitzprobe sind seiner Meinung nach nur etwas für Unentschlossene. Drei Minuten später stand er in der Tür seines Gesprächspartners vom Vormittag. Er wußte mittlerweile, daß die Starverkäufer dieser asiatischen Importmarke sich nicht erheben würden, wenn ein Kunde den Raum betritt. Im Gegenteil, sie lehnen sich in ihren rückenschonenden Bürostühlen zurück, verschränken die Hände hinter ihren Köpfen und mustern den Kunden zunächst mit einer Peilung über den Brillenrand. Das ganze scheint einem fernöstlichen Verhaltenscodex für Verkäufer zu folgen, der möglicherweise Freundlichkeit, Zuneigung und Wertschätzung gegenüber dem Kunden zum Ausdruck bringen soll.

Der Verkäufer hatte den Oberkörper zwischenzeitlich wieder in eine annähernd senkrechte Position gebracht. Er erklärte Jürgen, daß er das Fahrzeug für einen Kunden bei einem befreundeten Markenhändler aufgetrieben habe. Er würde sich aber nicht trauen diesen Händlerkollegen ein zweites mal um einen Gefallen zu bitten. Jürgen hatte verstanden. Er ersparte sich den Vorschlag noch andere Händler abzufragen, die vielleicht sein Fahrzeug schon in der Pipeline hätten und bereit wären es abzugeben. Für diesen namenlosen Verkäufer war der Vorgang längst abgeschlossen. Er hatte, vermutlich unter Mobilisierung sämtlicher Kräfte, ein Fahrzeug verkauft und mußte sich nun erst einmal regenerieren.

Jürgen war also auf ganzer Linie gescheitert. In völliger Fehleinschätzung des Marktes hatte er sein Fahrzeug zwar ganz erfolgreich aber vorschnell verkauft. Nun war er auf einen teuren Leihwagen angewiesen oder er fand selbst sehr schnell sein Wunschauto. Das Internet war sein Freund. Nach nur zwei Telefongesprächen war man sich bereits handelseinig. Das Autohaus Drei Könige – so soll es hier heißen – versprach Lieferfähigkeit. Der überaus freundliche Spitzenverkäufer und Junior-Geschäftsführer in Personalunion – nennen wir ihn Björnsen – konnte Jürgen Hoffnung machen. Zwar stünde sein Fahrzeug noch nicht auf dem Hof, aber es sei schon sehr weit in der Rangliste vorgerückt. Man einigte sich auf ca. zwei bis drei Wochen Lieferzeit.

Jürgens Rückfahrt
Jürgen läßt schalten
Nach zwei Wochen rief der deutsche Importeuer der Automarke an, genauer eine junge Dame in dessen Vertretung. Sie bezog sich auf eine Anfrage, die Jürgen gestellt hatte. Jürgen war irritiert. Er habe, so die junge Frau, vor ungefähr sieben Wochen über die Web-Präsenz des Importeurs eine technische Anfrage gestellt und um dessen Beantwortung würde es jetzt gehen. Jürgen dämmerte es. Sieben Wochen, ja, das kann sein. Langsam erinnerte er sich sogar auch wieder an die Fragen, die er formuliert hatte. War irgendwas mit CO2-Emission, Leistung und Automatikgetriebe und so. Jetzt war wieder alles da. Allerdings hatte er sich die passenden Antworten längst selbst aus dem Internet besorgt. Er wußte seit langem, daß die Schwarmintelligenz des Internets meist wertvoller ist als das Halbwissen des Einzelnen. Dies schon zu einer Zeit, als CSU-Politiker im Internet noch den Ort des Bösen vermuteten. Aber auch die Anhänger der Christlich Sozialen Union entwickeln sich weiter. Heute wissen sie, daß im Internet das Böse lauert, weshalb sie jetzt auch ständig sogenannte Bundestrojaner verschicken um dem Bösen Einhalt zu gebieten.

Nach weiteren drei Wochen, also eigentlich zwei Wochen zu spät, meldete sich das freundliche Autohaus Drei Könige, Herr Björnsen am Apparat. Jürgens Auto sei eingetroffen und könne in drei Tagen abgeholt werden. Jürgens Freude war groß. Zwischenzeitlich hatten sich bei ihm noch sieben oder acht weitere technische Fragen ergeben, die er Björnsen zur Beantwortung per E-Mail zukommen ließ.

Am Tag der Abholung stand Jürgen pünktlich um 12 Uhr beim Autohaus Drei Könige auf der Matte. Vor dem Entrée war bereits sein Fahrzeug mit dem Schild dieses Fahrzeug ist verkauft geparkt. Eine nette Geste. Björnsen erwartete ihn schon. Nachdem die Höflichkeiten ausgetauscht und die Grundformalitäten erledigt waren, legte Björnsen ihm eine Verpflichtungserklärung zwecks Kopiegabe von Kfz-Brief und -Schein nach der Zulassung zur Unterschrift vor. Björnsen nutzte Jürgens kurze Verdutztheit und schob hinterher, daß der Importeuer grundsätzlich von allen neu zugelassenen Fahrzeugen eine Kopie dieser Fahrzeugunterlagen fordere. Normalerweise würden die Kunden davon ja gar nichts mitbekommen, aber da Jürgen das Fahrzeug an seinem Heimatort zulassen würde, bräuchte er die nachgereichten Kopien von Jürgen. Dazu diene dann eben die schriftliche Verpflichtung. Jürgen begann tief Luft zu holen und legte sich gerade die Stichworte rund um Vertragsrecht, Datenschutz und Kundenorientierung für seinen nun drohenden Vortrag zurecht, da legte Björnsen abermals nach: »Die werden echt sauer, wenn sie die Unterlagen nicht bekommen.« In diesem Moment atmete Jürgen ebenso tief aus, wie er zuvor eingeatmet hatte und sagte nur: »Okay«. Jürgen hatte an diesem Tag gute Laune und eine scheinbar unendliche Geduld. Zwei Eigenschaften, die er in dieser Kombination und Intensität an sich selbst gar nicht kannte. Björnsen war das Opfer und natürlich würde er wie immer dem Schwächeren zur Seite stehen.

Erneut wurde Jürgens Geduldpotential auf die Probe gestellt. Björnsen sagte zu ihm: »Sie hatten mir vor drei Tagen ein paar Fragen zugemailt. Ich will mal sehen, welche ich davon beantworten kann.« Jürgen konnte den Gallenfluß in ihm gerade noch erfolgreich unterdrücken. Er wußte, daß Björnsen keine Antworten liefern würde. Der Verkäufer hatte den Empfang des Fragenkatalogs nicht als Auftrag zur Beschaffung von Antworten aufgefaßt, sondern fühlte sich wohl eher als Teil einer Quizshow in der er ohne fremde Hilfe Fragen beantworten sollte. Was würde wohl geschehen, so fragte sich Jürgen, wenn Björnsen Mitglied einer Projektgruppe in einem mittelständischen Unternehmen wäre. Er würde in diesem Moment vermutlich ein sehr einseitiges Gespräch mit dem Projektleiter und anschließend mit seinem Vorgesetzten erleben dürfen.

Die Übergabe des Fahrzeugs und die Montage der Überführungskennzeichen liefen recht zügig ab. Björnsen war offensichtlich mit sich sehr zufrieden, denn die Verärgerung seines Kunden hatte er gar nicht bemerkt. Jürgen bestieg erstmals sein neues Auto, startete den Motor, legte den Wahlhebel des Automatikgetriebes auf Stellung D und verließ das Autohaus Drei Könige mit Kurs West-Süd-West. Björnsen winkte.

In die Freude über sein neues Auto mischte sich Skepsis. Hatte er sich für die richtige Marke entschieden? Bisher traf er nur auf merkwürdige Typen.

  • Der Powerseller Marc, der am liebsten die kleinen Volumenmodelle auf seinem Hof verkauft. Das ist für ihn wie Fließbandarbeit bei der er sich keine Gedanken um Kunden und Märkte machen muß. Der auch gerne auf ein Geschäft verzichtet, wenn der Kunde nicht in sein System paßt.
  • Der Verkäufer ohne Namen, dessen Angst vor dem Unmut seiner Händlerkollegen größer ist als der natürliche Jagdinstinkt eines Verkäufers mit dem unbedingten Willen zum Abschluß und zur Neukundengewinnung.
  • Der Deutschland Importeur, der über sechs Wochen zur Beantwortung einer handvoll Fragen benötigt und der Zulassungsdaten seiner Fahrzeugkäufer sammelt, ohne daß diese davon Kenntnis erlangen.
  • Der Junior-Verkäufer und Mitgeschäftsführer, vermutlich ein ehemaliger Waldorfschüler, der wohl seinen Namen tanzen kann aber von Autos und Kunden keine Ahnung hat.

Jürgen grauste es bei der Vorstellung sein Fahrzeug in eine dieser Werkstätten bringen zu müssen, aber das würde unausweichlich sein. Wer würde dann an seinem Auto herumschrauben? Ein ehemaliger Schuhverkäufer oder eine umgelernte Fleischereifachverkäuferin? Bisher hatte er den Eindruck auf eine große Laienspielschar gestoßen zu sein. Er versuchte nun all diese dunklen Gedanken zu verdrängen. Er fuhr der untergehenden Februarsonne entgegen und fragte sich dabei welche Anforderungen der Konsument des 21. Jahrhunderts an die Qualität von Produkten und Dienstleistungen zukünftig wird stellen dürfen.
rh2012-02-003

Powersellers Dream

Auf dem Grundstück des Autohauses einer asiatischen Importmarke entsteht gerade ein großer und gläserner Verkaufsraum. Die gröbsten Arbeiten scheinen abgeschlossen zu sein, denn die Pflasterer sorgen bereits dafür, daß Kunden und Interessenten demnächst ihre Fahrzeuge direkt vor dem neuen Ausstellungskomplex parken können. Das ganze strahlt Prosperität und Zuversicht aus. Die Volumenmodelle des Importeurs stehen, wahlweise in Silber oder Schwarz, wenige in Weiß, auf dem gesamten Areal verteilt. Obwohl die beiden Verkäufer ihren Geschäften vorübergehend in Bürocontainern nachgehen müssen, schmälert dies nicht das Gefühl des Vertrauens, das unseren Interessenten, nennen wir ihn Jürgen, überkommt. Von einem der beiden Verkäufer wird Jürgen vor den Containern entdeckt und mit der freien Hand gestikulierend, derweil die andere gerade telefoniert, aufgefordert sein Büro über die etwas versteckte seitliche Eingangstür zu betreten. Wie sich herausstellt ist er der Verkaufsleiter von beiden und soll im folgenden Marc genannt werden.

Marc trägt ein Crew-Blouson der Automarke und ist damit als Member des Autohauses sofort erkennbar. Während sich Jürgen und Marc noch ungefähr drei Schritte entfernt gegenüberstehen, versucht Marc das Ende des Kundengesprächs mit übertriebenen, flehenden Blicken zur Decke des Bürocontainers und ventilierenden Bewegungen der linken Hand zu beschleunigen. Der Kunde am anderen Ende der Leitung ist Marc offensichtlich lästig und bei Jürgen kommen erste Zweifel auf. Vielleicht ist er doch im Pausenraum der Mechaniker gelandet. Nachdem Marc das Gespräch beendet hat und beide an Marcs Schreibtisch Platz genommen haben, beugt sich Marc vor und fragt nach Jürgens Interesse. An dieser Stelle macht Jürgen einen entscheidenden Fehler, den er noch genau acht Tage lang bereuen wird. Er interessiere sich für einen Van, also einen Familienbus aus dem Premiumsegment der Angebotspalette ließ er Marc wissen.

Wie von einem Reflex gesteuert schlägt Marc mit der flachen Hand auf den Monitor vor sich. »So ein Ding«, teilt er seinem verdutztem Gegenüber mit und meint damit offensichtlich einen Computer oder Laptop, »hat heute doch jeder zu Hause stehen«. Durch den Stoß hat Marc den Monitor in heftige Schwingungen versetzt. Er läßt sich in seinen Bürostuhl zurückfallen und nimmt dabei für einen kleinen Moment völlig synchron die Nickbewegungen des Bildschirms auf, einer eigenwilligen Choreographie folgend. Nachdem Marc in seinem Stuhl ausgependelt und sich wieder ein kleines Stück nach vorne gebeugt hat, folgt sein unaufhaltsamer Vortrag. Seine vollständige Gleichung lautet: Monitor ist gleich Computer ist gleich Internet ist gleich schlechte Preise.

Powerseller
Powerseller
Der Vortrag besteht aus zwei Teilen. Teil 1 beschäftigt sich mit den Besonderheiten des Marktes im Automobilhandel. Da geht es um Automodelle, die für den deutschen Markt bestimmt sind und sogenannte EU-Fahrzeuge aus dem Internet. Letztere seien preislich zwar deutlich attraktiver, seien aber über den normalen Markenhandel nicht beziehbar. Außerdem verursachen diese Fahrzeuge immer wieder Probleme bei der Garantieabwicklung. Selbstverständlich könne auch er solche EU-Fahrzeuge besorgen, würde dies aber nur sehr ungern tun. Die Beschaffung des von Jürgen gewünschten deutschen Modells sei überaus schwierig, aber er würde schon von irgendwoher ein passendes Fahrzeug für ihn organisieren können. So, als suche er nach einer seltenen Schraube in seiner Werkzeugkiste. Im zweiten Teil seines Vortrags spielt Marc sich selbst. Er sorge dafür, daß sich der Fahrzeugbestand auf dem Hof möglichst schnell drehe. Selbst wenn der deutsche Importeur ihm wöchentlich acht Fahrzeuge auf das Grundstück kippte, würde das für ihn kein echtes Problem darstellen. Sogar Verkäuferkollegen anderer Autohäuser kämen zu ihm um sich bei ihm Rat zu holen. Genau wie er wollen auch sie erfolgreich Autos verkaufen. Marc wähnt sich als echter Powerseller und lehnt sich, mit sich und der Welt zufrieden, erneut in seinen Bürostuhl zurück.

Während Marc sich für den Macher hält ist Jürgen von sich selbst eher enttäuscht. Es wäre ihm nicht in den Sinn gekommen einen fremden Menschen, noch zudem auf fremdem Terrain, in seinem Redefluß zu unterbrechen. Dennoch blieb genug Zeit um seine drei oder vier Sachfragen abklären zu können. Dann fuhr er, ohne Prospekte oder eine erste Preisansage und mit dem Gefühl nicht systemkompatibel zu sein, wieder nach Hause. In den nächsten Tagen informierte sich Jürgen im Internet weiter über sein Wunschfahrzeug und stellte im Gegenzug sein eigenes Fahrzeug zum Verkauf dort ein. Er studierte dort die Preise und fand einen Verkaufspreis von 32 Talern im ersten Schritt als angemessen und durchaus wettbewerbsfähig.

Marc, der Powerseller, hatte auch Gelegenheit gehabt sich von dem hochwertigen Zustand des Autos zu überzeugen und versprach, sich ebenfalls nach Käufern umzusehen. Bereits nach zwei Tagen erhielt Jürgen aufgrund seines Inserats im Internet ein schriftliches Angebot über 28 Taler und nochmals zwei Tage später wurde das Fahrzeug zu einem Preis von 29 Talern und fünf Groschen verkauft. Marc hatte ebenfalls einen Käufer gefunden, der das Auto für 22 Taler kaufen wollte. Er war sehr stolz auf sich.

Marc ist der traurige Held dieser Geschichte. Verschiedene Eigenschaften und Qualifikationen fehlen ihm. Er verfügt über keinerlei Menschenkenntnis und es fehlt ihm das Handwerkszeug eines guten Verkäufers. Zudem schätzt er den Fahrzeugmarkt außerhalb seines Bürocontainers völlig falsch ein und geht dadurch mit dem Vermögen seiner Kunden sorglos um. In diesem Fall hätte er das Auto seines Kunden ca. 30 Prozent unter dem Marktwert vermittelt. Marc ist kein Verkäufer, er ist ein Verteiler. Marc verteilt die Volumenmodelle seines deutschen Importeurs an seine Systemkunden. Systemkunden wiederum sind die, die in sein Geschäft kommen, auf ein Fahrzeug zeigen und »den da« sagen. Der Systemkunde wird dann zur Kasse gebeten und Marc fährt schon mal den Wagen vor. Diesen Ablauf beherrscht Marc sehr souverain.

Natürlich hat Jürgen sein Wunschfahrzeug bei einem anderen Händler der Marke bestellt. Die Abwicklung lief halb im Internet halb per Telefon. Er hätte ungefähr 2 Taler und 5 Groschen mit einem EU-Neufahrzeug sparen können, aber er akzeptiert, daß die Autohändler eine kostenintensive Vertriebsstruktur unterhalten und leistungsfähige Berater und Verkäufer bezahlen müssen. Gute und motivierte Service- und Verkaufskräfte machen dem Kunden auch mehr Spaß. Marc tut das nicht.
rh2012-01-001

Datenpanne bei ImmobilienScout24

Mit der folgenden E-Mail (Auszug) informierte ImmobilienScout24 gestern seine Kunden über einen aktuellen Datendiebstahl:

»Information: „Datensicherheit: Unbefugter Zugriff auf Datensysteme“
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Sicherheit der Objekt- und Kundendaten ist für uns von größter Wichtigkeit und liegt uns sehr am Herzen. […]
Dennoch ist es zu einem unbefugten Zugriff auf unser Datensystem gekommen. Dabei wurden nach jetzigem Kenntnisstand Informationen wie (Firmen)Namen, Kontaktdaten sowie Immobilien Scout-interne Registrierungsnummern von Anbietern durch Dritte kopiert. Es handelt sich damit um Daten, die großteils in den Exposés auf unserer Website veröffentlicht sind.
Sensible Daten wie Passwörter, Bank- und Zahlungsdaten sind nicht betroffen. Der unbefugte Zugriff wurde unterbunden und die Sicherheit der angegriffenen Server wiederhergestellt.
Dennoch bitten wir Sie, Ihr Passwort […]
Mit freundlichen Grüßen
Ihre ImmobilienScout GmbH«

Aus Sicht eines Betroffenen ist es zunächst einmal als überaus positiv zu bewerten, daß die ImmobilienScout GmbH seine Kunden unverzüglich über den Vorfall informiert hat. Dieses Verhalten ist, gemessen am Beispiel anderer Fälle, die in der jüngeren Vergangenheit für weltweites Aufsehen gesorgt haben, längst nicht selbstverständlich. Fällt der Blick noch weiter zurück, gewinnt man zweifelsfrei die Erkenntnis, daß Internet-Portale oder allgemein Web-Präsenzen, übrigens auch die der öffentlichen Verwaltung, keine Hochsicherheitsbereiche sind.

So unangenehm diese Vorfälle für die geschädigten Firmen im Einzelfall auch sein mögen, so wichtig ist es gerade durch Öffentlichkeit für Transparenz zu sorgen um so den Lerneffekt für die Marktteilnehmer zu verstärken. Nicht Bankleitzahl und Kontonummer sind geheim, die zuweilen sogar fester Bestandteil der täglichen Korrespondenz sind, sondern die Pin der EC-Karte. Nicht die Pan der Kreditkarte, die ohnehin in zahllosen Hotels, Restaurants, Tankstellen und Einzelhandelsgeschäften herumfliegt ist schützenswert, sondern die durch die Nutzung entstehenden Daten. Die E-Mail bleibt trotz Verschlüsselung eine offene Postkarte und beim Begriff Telefongespräch sollte die Betonung auf Gespräch liegen. Die Telefonnummer als solche ist nicht interessant. Aber für ihre Nutzungsdaten interessieren sich hierzulande gleich mehrere Gruppen, wie die anhaltende politische Diskussion zeigt.

Unberechtigte Datenzugriffe, wie im vorliegenden Fall, wird es wohl immer geben. Gerade deshalb müssen die Marktteilnehmer befähigt werden zu beurteilen, ob im Ereignisfall ihr aktives Eingreifen notwendig wird, um selbst keinen Folgeschaden zu erleiden. In Zeiten von Facebook, Twitter und Co., so scheint es allerdings, fehlt vielen Menschen das Wissen oder der natürliche Instinkt welche Informationen in die Kategorien privat/schützenswert oder öffentlich/unbedenklich fallen.

Es wird in Zukunft sicher spannend zu beobachten sein, wie sich Unternehmen vor unberechtigten Datenzugriffen schützen werden, und wie sich die Kunden verhalten werden, wenn es zu Vorfällen und Datenmißbrauch kommt. Wahrscheinlich werden die Unternehmen technisch immer weiter aufrüsten und die anderen Marktteilnehmer werden sich ein Stück weit an die regelmäßigen Datenlecks gewöhnen, solange sie selbst keine spürbaren Nachteile dadurch erfahren.
rh2011-12-001

Barclaycard dankt mit DropStop

In dem jüngsten Schreiben von Barclaycard, das weder Rechnung noch Werbung war, lautete der Betreff »Wir sagen Danke für 20 Jahre Treue«. Die Niederlassung Hamburg, so hieß es in dem Schreiben, würde nunmehr seit 20 Jahren bestehen und selbst sei man einer der ersten Kunden gewesen, der sich seinerzeit für die Barclaycard entschieden hatte. Ob soviel Freude wollte man sich mit einem DropStop bedanken. Dieses Teil – es handelt sich dabei um ein kreisrundes Stück Alufolie mit einem Durchmesser von ca. 7 cm – soll entsprechend modelliert in eine Weinflasche verbracht werden. Dem Mouton-Rothschild sei, so ausgestattet, fortan jede Chance genommen weiße Damast-Tischdecken zu beflecken. Da freut sich die Hausfrau.

Barclaycard dankt mit DropStop
Barclaycards Dank auf 45 Quadratzentimetern

Ein, zwei Sekunden nach dem Öffnen des Briefs dachte man zunächst an einen einfachen Scherz. Dann an einen Scherz, dessen tieferer Sinn sich dem Leser noch nicht wirklich erschlossen hatte und dann an einen simplen, schlechten Witz. Sicher bekommt man regelmäßig Briefe, denen kleine Gimmicks aufgespendet sind. Das sind meist aufgeleimte Visitenkarten, Jahreskalender im Scheckkartenformat oder unappetitliche Schoko-Taler. Man kann über manches hinwegsehen. Aber in einer Mailingaktion dem Kunden seine 20-jährige Kundentreue mit 45 Quadratzentimeter Alufolie zu danken ist weit unterhalb des Niveaus, das man von einer Bank erwarten darf. Hier wäre weniger mehr gewesen. Kaum vorstellbar, wie man in Gegenwart von Gästen mit diesem fummeligen Teil in einer Weinflasche hantiert. Den Marketingverantwortlichen bei Barclaycard mag man zugute halten, daß ihre Begeisterung bei der Bemusterung des DropStops wahrscheinlich proportional mit der Zahl der geleerten Weinflaschen stieg.

Und sonst, geht es noch schlimmer? Zumindest nicht im Direktmarketing. Der gewöhnlich unbeachtete, wöchentliche Aldi-Prospekt sticht mit seiner Headline schmerzhaft ins Auge. In einem dieser unvermeidbaren Christmas-Winterland-Fonts steht dort geschrieben: »Voller Vorfreude auf Weihnachten«.

Aldis weihnachtliche Vorfreude
Aldi in weihnachtlicher Vorfreude durch Vollmilch

Es sind noch ca. 70 Tage bis Weihnachten und rund ein-fünftel des Restjahrs ist noch übrig. Der letzte Rasen- und Heckenschnitt ist noch nicht erfolgt und der Wettermann spricht von Hochdruckgebieten mit 18 Grad Celsius. Und in dieser Zeit möchte Aldi bei uns die Vorfreude auf Weihnachten offensichtlich mit frischer Vollmilch und deutscher Markenbutter wecken. Oder wie ist dieses völlig sinnfreie Motiv zu verstehen? Da hilft auch nicht das Bild der Mutter, die scheinbar versucht ihre Tochter mit einem Kecks zu trösten. Die Kleine guckt, als hätte ihr IPad gerade nachhaltig seinen Dienst quittiert. Wahrscheinlich aber ist es so, daß die Reklameabteilung von Aldi zu kommunizieren versucht, die Backzeit habe wieder begonnen. Dann sollte man das auch tun, ganz einfach. Lidl kann das. Dort wird im Prospekt mit sinnfälligen Motiven auf die beginnende Jahreszeit des häuslichen Backens hingewiesen; verständlich und klar kommuniziert, unter Verzicht auf das schreckliche W-Wort.
rh2011-10-004