Windmüllers Vollkaskoschutz

Offshore-Windpark vor LummerlandBanken sind wichtig. Banken können unter bestimmten Betrachtungswinkeln sogar systemisch sein. In diesem Fall müssen Banken immer dann gerettet werden, wenn sie in eine Katastrophe abzugleiten drohen. Die großen Investoren und zukünftigen Betreiber von Offshore-Windkraftanlagen haben nun erkannt, daß auch sie ein solch schützenswertes, systemisches Element innerhalb unserer Gesellschaft darstellen. Dies vor dem Hintergrund, daß die Bundesregierung den Energiewandel zwar erklärt hat, nun aber unter Zeitdruck auf der Suche nach Investoren für Windparks ist. Die Investoren dieser Offshore-Anlagen halten also, sofern sie sich untereinander einig sind, ein gewisses Druckmittel in Händen. Nach dem Willen der Regierung sollen deshalb alle Stromverbraucher, das ist in diesem Sinne deckungsgleich mit den Bundesbürgern, für Schadenersatzansprüche der Windparkbetreiber einstehen, wenn ihre Windparks nicht fristgerecht an das Stromnetz angebunden werden können. Die Windmüller sollen ihre Investitionen tätigen können im Vertrauen darauf, daß ihnen keine Anlaufverluste durch Ereignisse entstehen werden, die sie nicht selbst zu vertreten haben. Sie erwarten also eine Vollkaskoversicherung, deren Prämie in diesem Fall der Bundesbürger bezahlt, der aber selbst keinen Einfluß auf das Haftungsrisiko hat.

Üblicherweise haftet ein Unternehmer für sein unternehmerisches Tun zunächst einmal selbst. Investitionen stellen für ihn meist ein unternehmerisches Risiko dar. Dieses Risiko kann er entweder auf dem Versicherungsmarkt absichern lassen oder selbst tragen. In jedem Fall wird er beides, die Kosten der Versicherungsprämien oder sein Risiko, in die Produkte oder Dienstleistungen seines Unternehmens einpreisen müssen. Hier allerdings machen die Herren Altmaier (CDU) und Rösler (FDP) der Industrie ein Geschenk, deren Kosten (Versicherungsprämie) ausschließlich der Bürger trägt; es sei denn, der Verbraucher würde später an Windmüllers Erträgen partizipieren. Das ist aber nicht erkennbar und wohl so auch nicht gewollt.

Es stellt sich die Frage nach der marktwirtschaftlichen Kompetenz von CDU und FDP, die zu solchen Beschlüssen fähig sind. Gerät unsere Marktwirtschaft zunehmend durch eine sozialistische Parteienautokratie in Gefahr? Werden die Nachteile beider Systeme in konzentrierter Form bei Vorgängen dieser Art sichtbar? Das Wertesystem der FDP Privat vor Staat muß wohl neu definiert werden. Dieser Vollkaskoschutz, den die Bundesregierung den Offshore-Windparkbetreibern bieten will, zeigt zwei Dinge wieder einmal überdeutlich. Oligopolistisch geprägte Teilmärkte (Banken, Mineralölkonzerne, Energieversorger, etc.) schaffen sich ihre eigenen Spielregeln und folgen ausschließlich eigenen Gesetzen. Eine wirksame Einflußnahme durch die Politik ist meist nicht möglich. Andererseits ist die Hilflosigkeit der Politik, die in diesen Vorgängen sichtbar wird, zum großen Teil auch auf fehlende Konzepte zurückzuführen. Es reicht eben nicht aus, daß die Kanzlerin die Energiewende ausruft aber keinen Plan dafür hat. Plan, also Konzept, hieße hier ganz klassisch: Beschreibung des Ziels, Aufnahme des Ist-Zustands, Soll-Ist-Abgleich, Beschlußfassung, Machen. Aber wahrscheinlich ist die Dauer einer Legislaturperiode viel zu kurz für die Erstellung von Konzepten und Herstellung gesellschaftlicher Konsense. Angesagter ist offenbar das situative Handeln weit über die eigenen Wertmaßstäbe hinaus um den Bürger anschließend mit einer Reihe von Fragen zurückzulassen. Fragen wiederum beantworten Politiker neuerdings immer seltener, sie sind längst zu Statements übergegangen. Das ist auch viel bequemer so.
rh2012-09-001