Dieselrußpartikelfilter einer asiatischen Importmarke

Nach den relativ einfachen und zuverlässigen Katalysatoren für Ottomotoren, steht jetzt die Abgasreinigung für Dieselmotoren auf dem Plan der Europapolitiker. Die dabei eingesetzte Technik, der Dieselrußpartikelfilter (kurz DPF genannt), wird sehr ausführlich und anschaulich in diesem Beitrag auf Wikipedia erläutert. Tatsächlich ist die DPF-Technik technisch sehr anspruchsvoll und damit leider auch sehr fehleranfällig. In Kfz-orientierten Internetforen kursieren Beiträge über regelmäßige und kostenträchtige Werkstattaufenthalte und andere Störungen. Bisweilen wird dringend empfohlen sich noch ein Euro 4 Fahrzeug ohne DPF zu kaufen, um den unvermeidlichen Problemen im Zusammenhang mit dem DPF aus dem Weg zu gehen. Daneben gibt es auch eine Reihe von Kritikern aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, die die Wirksamkeit dieser Filtertechnologie hinterfragen. Dabei geht es zum Beispiel auch um die Frage, welche unerwünschten Stoffe bei der Regeneration des Filters durch Oxidation entstehen.

Hier geht es um eine andere Frage. Welche Informationen zum DPF gibt der Kfz-Hersteller oder der Importeur seinem Kunden mit auf den Weg? Hierzu als Beispiel der Auszug aus der Betriebsanleitung eines Vans einer asiatischen Auto-Importmarke. Auf der letzten von fast 200 Seiten, unmittelbar vor den zahllosen Tabellen mit technischen Daten, ist folgendes zu lesen:

Dieselrusspartikelfilter
"DPF?", "Nein, Zündkerze."

»Der Dieselpartikelfilter (DPF) entfernt den Ruß, den das Fahrzeug abgibt. Im Gegensatz zu einfachen Filtern verbrennt (oxidiert) und entfernt das DPF-System den angesammelten Ruß automatisch entsprechend den Fahrbedingungen. In anderen Worten, die aktive Verbrennungsfunktion, aktiviert vom Motorsteuersystem und von hohen Abgastemperaturen, die bei normalem Fahren und bei Hochgeschwindigkeitsfahrten erzeugt werden, verbrennt und entfernt den angesammelten Ruß.«

Der Begriff der automatischen Verbrennung bedeutet, daß die Motorsteuerung den kompletten Vorgang der Filterregeneration ohne Zutun des Fahrers, allerdings auch ohne diesbezügliche Informationen an ihn, übernimmt. Der Fahrer erhält keine Hinweise auf Zeitpunkt oder Dauer (Beginn/Ende) des Oxidationsprozesses mit dem der Filter freigebrannt werden soll. Daher könnte er den Vorgang auch unbewußt, durch Abstellen des Motors, abbrechen. Was der Hersteller unter normalem Fahren versteht, versucht er im nächsten Absatz zu erläutern.

»Wenn das Fahrzeug jedoch für längere Zeit mit geringen Geschwindigkeiten gefahren wird, ist es möglich, dass der Ruß wegen geringer Abgastemperaturen nicht automatisch entfernt wird. In diesem besonderen Fall liegt die Rußmenge über dem Erkennungswert. Der Prozeß der Rußoxidation durch das Motorsteuersystem findet evtl. nicht statt und die Störungsleuchte kann blinken.«

Das alles kontrollierende Motorsteuersystem kann also versagen, wenn der Fahrer zu lange zu langsam fährt. Zwar wird nicht näher spezifiziert, was der Hersteller unter einem längeren Zeitraum und geringer Geschwindigkeit versteht. Aber man kann vermuten, daß der ökonomisch und ökologisch orientierte Fahrer, der gerade keine Höchstgeschwindigkeitsfahrten veranstaltet, hier Auslöser für eine Motorstörung werden könnte. Das muß klar als Widerspruch erkannt werden. Die erwähnte Störungsleuchte ist übrigens die, die sämtliche Motorstörungen undifferenziert zur Anzeige bringt.

»Wenn die Störungsleuchte blinkt, kann das Blinken aufhören, wenn Sie über 60 km/h (37 mph) oder in einem höheren Gang als dem 2. Gang bei 1500 – 2000 Motorumdrehungen für eine bestimmte Zeit (ca. 25 Minuten) fahren.«

Nach der vorstehenden Beschreibung soll der Fahrer aus einer blinkenden Störungsleuchte, die grundsätzlich die verschiedensten Ursachen haben kann, schließen, daß sich der Rußpartikelfilter zugesetzt hat. Dann muß er das Fahrzeug mindestens eine halbe Stunde lang mit Autobahngeschwindigkeit (2000 rpm entsprechen bei einem Automatikfahrzeug dieses Typs ca. 110 km/h) bewegen, in der Hoffnung damit den Rußfilter wieder freibrennen zu können. Dabei erzeugt er ungefähr 15 kg CO2-Emissionen und Rußabbrand in unbekannter Menge/Masse und Zusammensetzung.

»Für den Fall, dass die Störungsleuchte trotz der beschriebenen Vorgehensweise weiterhin blinkt, empfehlen wir, das System in einer […] Vertragswerkstatt überprüfen zu lassen.«

Sollte die ganze Aktion scheitern, weil die Störungsleuchte zum Beispiel eine Fehlfunktion der Einspritzanlage signalisieren will, hat man eine Menge Zeit investiert und die Umwelt unnötig zusätzlich belastet.

»Wenn Sie trotzdem weiterfahren, wenn die Störungsleuchte für längere Zeit blinkt, kann das DPF-System beschädigt werden und der Kraftstoffverbrauch kann ansteigen.«

Vielleicht sollte, aus den genannten Gründen, bereits der erste Weg direkt in die Vertragswerkstatt führen.

Demnach scheint der DPF ein richtiges Problemteil zu sein. Bei seiner Herstellung und Entsorgung erfordert er sehr viel Energie. In der täglichen Praxis verursacht er einen Mehrverbrauch an Dieselkraftstoff und erzeugt Abgase, die unerwünschte Nebenprodukte enthalten. Der DPF verrichtet seinen Dienst am besten dann, wenn möglichst viel und schnell gefahren wird. Diejenigen, die sich ökologisch und ökonomisch verhalten wollen, werden hingegen bestraft. Zum Beispiel mit teuren Werkstattaufenthalten. Der DPF birgt scheinbar noch viel Potential; nämlich das Potential zur Weiterentwicklung.
rh2012-02-005

Was sagt Gauck?

Das war fast absehbar. Erst eine völlig kopflose und überhastete Kandidatenwahl für das Amt des Bundespräsidenten, als hätte es gegolten in kürzester Zeit ein sinkendes Schiff zu evakuieren, und dann, da nun alle Passagiere in ihren kleinen Rettungsbooten in ruhiger See dahindümpeln und der Rauch verzogen ist, die Frage, ob man alles richtig gemacht hat. Die SPD und die Grünen haben ihren einzigen Kandidaten nach dem Motto nach der Wahl ist vor der Wahl gewählt. Die Linke agiert fast vergleichbar, aber mit umgekehrtem Vorzeichen: Was vor zwei Jahren falsch war kann jetzt nicht richtig sein. Beides gilt aber nur, wenn man alle äußeren Einflüsse unbeachtet ließe, Laborbedingungen sozusagen. Tatsächlich aber ist in den vergangenen zwei Jahren seit der letzten Bundespräsidentenwahl sehr viel passiert und Herr Gauck hat zu einigen Themen seine dezidierte Meinung geäußert. Dabei sind seine Äußerungen von der Öffentlichkeit durchaus wahrgenommen worden und fanden unterschiedlichen Anklang.

SPD und Grüne waren wohl über den nachträglichen Sieg ihres Traumkandidaten und der damit verbundenen Möglichkeit ihren politischen Gegner mit Häme zu überziehen scheinbar so geblendet, daß sie die vielen Äußerungen Gaucks und dessen Wirkung vollkommen ausgeblendet hatten. Ein führender Grünen-Politiker fabulierte die Tage in einer dieser Polit-Talk-Shows, daß Gaucks Äußerungen zu einem Zeitpunkt entstanden seien, an dem er nicht wußte, daß er doch noch Präsident werden würde. Herr Gauck ist mindestens seit 1989 in verschiedenen Ämtern eine öffentliche Person für Ost und West und somit wird er sehr wohl an seinen Äußerungen gemessen. Jetzt glauben die Parteien die Deutungshoheit über Gaucks Äußerungen zu haben. Sie versuchen dabei Gesagtes vor dem Hintergrund seiner Vergangenheit zu interpretieren und für die Öffentlichkeit so aufzubereiten, das doch noch Akzeptables dabei herauskommt. Herr Gauck ist allein verantwortlich für alles, was er sagt oder schreibt. Als zukünftiger Bundespräsident sollte er dabei für alle Menschen klar verständlich sein und keinen Platz für Interpretationen lassen.

Die Occupy-Wall-Street-Bewegung hat Gauck als »unsäglich albern« bezeichnet. Der nachgeschobene Erklärungsversuch, er habe dies vor dem Hintergrund eines verstaatlichten Bankenwesens der DDR gesagt, ist schwach. Mit einem Schlag hat Gauck weltweit tausende von meist jugendlichen Demonstranten beleidigt, die zum Teil bei bitterer Kälte Tag und Nacht in Zelten durchhielten und sich für ihre Überzeugung einsetzten.

Im Rahmen der Stuttgart-21-Proteste bezeichnete Gauck die Neigung der Deutschen zu Hysterie und Angst als »abscheulich«. Ein Verbrechen kann man abscheulich nennen oder man wendet sich mit Abscheu von einem Verbrecher ab. Aber das demokratische Recht der Bundesbürger, die letztendlich vor einem Milliardengrab warnen, mit diesem Adjektiv zu belegen, ist mehr als unfair.

Das Thilo-Sarrazin-Buch oder besser seinen Verfasser bezeichnete Gauck als »mutig«. Sarrazin hatte bereits als aktiver Politiker mit vielen undifferenzierten Äußerungen über Minderheiten regelmäßig Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das Buch, entstanden in der sicheren Situation einer Altersalimentierung, ist nur die logische Folge seines bisherigen Handelns. Das hat mit Mut nichts mehr zu tun.

Gaucks lobende Worte zur Hartz-IV-Reform kommen ebenfalls unterschiedlich gut an. Er glaubt, daß Solidarität und Fürsorglichkeit faul machen kann. Das verunsichert die sozial schwächeren Gesellschaftsschichten. Sein Freiheitsbegriff ist geprägt von der Eigen-Verantwortung. Freiheit und Sicherheit schließen sich dagegen in seinem Gesellschaftsbild aus.

Den Begriff der Montagsdemonstrationen sieht Gauck einzig und allein belegt durch die Demonstrationen 1989 gegen das DDR-Regime. Die Benutzung dieses Begriffs zu anderen Zwecken, zum Beispiel für den Proteste gegen Sozialreformen, hält er für »töricht und geschichtsvergessen«. Das allerdings ist Politikfolklore in seiner reinsten Form. Die Menschen nutzen den Begriff heute wie eine Marke, was schon wieder einen Wert an sich darstellen könnte.

Auch zur Vorratsdatenspeicherung hat Gauck ein lockeres Verhältnis. Er sieht darin nicht den Beginn eines Spitzelstaates. Hier kommt offensichtlich wieder seine Ost-Biographie zum Vorschein, die es ihm als durchaus normal empfinden läßt, wenn sich der Staat bestimmter Überwachungsmethoden bedient.

Am Abend seiner Nominierung hatte er unter anderem dies gesagt:

Von all den Dingen […] ist mir am Wichtigsten, daß die Menschen in diesem Land wieder lernen, daß sie in einem guten Land leben, das sie lieben können. Weil es ihnen die wunderbaren Möglichkeiten gibt, in einem erfüllten Leben Freiheit zu etwas und für etwas zu leben. Und diese Haltung nennen wir Verantwortung.

Es sind Sätze wie diese, die zeigen, daß Gauck noch im Gestern oder sogar Vorgestern lebt. Selbst heute kann er sich noch schwindelig reden von seiner Freiheitserfahrung und möchte unbedingt andere daran teilhaben lassen. Die überwiegende Mehrzahl der Bundesbürger dürfte allerdings im Hier und Heute solide verankert sein und viele von ihnen brauchen keine Nachhilfe in Sachen Freiheit und Demokratie sondern konkrete Lösungen zur Bewältigung ihres täglichen Lebens. Verklärte Freiheitsromantiker wie Gauck finden dort keinen Platz mehr. Wenn der nächste Bundespräsident die Wende in das Realleben nicht schafft, wird er an einem Großteil des Volkes zunächst vorbeireden, um dann schließlich ignoriert zu werden. Für die jungen Erwachsenen gehört er ohnehin schon zur Opa-Generation. Sorry, Gauck. Not my President.
rh2012-02-004

Jürgens Rückfahrt, Björnsen winkt

Jürgen hatte sich auf der Suche nach seinem Wunschfahrzeug von dem Starverkäufer Marc (wir berichteten) verabschieden müssen, da Marc offensichtlich ein gestörtes Verhältnis zu Kunden im allgemeinen und seinem Job als Automobilverkäufer im besonderen hat. Bevor sich Jürgen bei seiner Autosuche nun gänzlich auf das Internet stützen würde, kontaktierte er noch ein Autohaus der von ihm favorisierten Marke in der benachbarten Kreisstadt. Dort hätte man, so beschied ihm ein Branchenkollege von Marc am Telefon, sein Wunschfahrzeug zwar nicht vorrätig, aber ein Kundenfahrzeug, das kurz vor der Auslieferung stünde, sei zu besichtigen.

Drei Stunden später stand Jürgen auf dem Hof des Händlers, begann das Fahrzeug gemessenen Schrittes zu umrunden und fand sich schließlich in seiner Wahl bestätigt. Ihm reichte die Papierform des Fahrzeugs, Probefahrt oder Sitzprobe sind seiner Meinung nach nur etwas für Unentschlossene. Drei Minuten später stand er in der Tür seines Gesprächspartners vom Vormittag. Er wußte mittlerweile, daß die Starverkäufer dieser asiatischen Importmarke sich nicht erheben würden, wenn ein Kunde den Raum betritt. Im Gegenteil, sie lehnen sich in ihren rückenschonenden Bürostühlen zurück, verschränken die Hände hinter ihren Köpfen und mustern den Kunden zunächst mit einer Peilung über den Brillenrand. Das ganze scheint einem fernöstlichen Verhaltenscodex für Verkäufer zu folgen, der möglicherweise Freundlichkeit, Zuneigung und Wertschätzung gegenüber dem Kunden zum Ausdruck bringen soll.

Der Verkäufer hatte den Oberkörper zwischenzeitlich wieder in eine annähernd senkrechte Position gebracht. Er erklärte Jürgen, daß er das Fahrzeug für einen Kunden bei einem befreundeten Markenhändler aufgetrieben habe. Er würde sich aber nicht trauen diesen Händlerkollegen ein zweites mal um einen Gefallen zu bitten. Jürgen hatte verstanden. Er ersparte sich den Vorschlag noch andere Händler abzufragen, die vielleicht sein Fahrzeug schon in der Pipeline hätten und bereit wären es abzugeben. Für diesen namenlosen Verkäufer war der Vorgang längst abgeschlossen. Er hatte, vermutlich unter Mobilisierung sämtlicher Kräfte, ein Fahrzeug verkauft und mußte sich nun erst einmal regenerieren.

Jürgen war also auf ganzer Linie gescheitert. In völliger Fehleinschätzung des Marktes hatte er sein Fahrzeug zwar ganz erfolgreich aber vorschnell verkauft. Nun war er auf einen teuren Leihwagen angewiesen oder er fand selbst sehr schnell sein Wunschauto. Das Internet war sein Freund. Nach nur zwei Telefongesprächen war man sich bereits handelseinig. Das Autohaus Drei Könige – so soll es hier heißen – versprach Lieferfähigkeit. Der überaus freundliche Spitzenverkäufer und Junior-Geschäftsführer in Personalunion – nennen wir ihn Björnsen – konnte Jürgen Hoffnung machen. Zwar stünde sein Fahrzeug noch nicht auf dem Hof, aber es sei schon sehr weit in der Rangliste vorgerückt. Man einigte sich auf ca. zwei bis drei Wochen Lieferzeit.

Jürgens Rückfahrt
Jürgen läßt schalten
Nach zwei Wochen rief der deutsche Importeuer der Automarke an, genauer eine junge Dame in dessen Vertretung. Sie bezog sich auf eine Anfrage, die Jürgen gestellt hatte. Jürgen war irritiert. Er habe, so die junge Frau, vor ungefähr sieben Wochen über die Web-Präsenz des Importeurs eine technische Anfrage gestellt und um dessen Beantwortung würde es jetzt gehen. Jürgen dämmerte es. Sieben Wochen, ja, das kann sein. Langsam erinnerte er sich sogar auch wieder an die Fragen, die er formuliert hatte. War irgendwas mit CO2-Emission, Leistung und Automatikgetriebe und so. Jetzt war wieder alles da. Allerdings hatte er sich die passenden Antworten längst selbst aus dem Internet besorgt. Er wußte seit langem, daß die Schwarmintelligenz des Internets meist wertvoller ist als das Halbwissen des Einzelnen. Dies schon zu einer Zeit, als CSU-Politiker im Internet noch den Ort des Bösen vermuteten. Aber auch die Anhänger der Christlich Sozialen Union entwickeln sich weiter. Heute wissen sie, daß im Internet das Böse lauert, weshalb sie jetzt auch ständig sogenannte Bundestrojaner verschicken um dem Bösen Einhalt zu gebieten.

Nach weiteren drei Wochen, also eigentlich zwei Wochen zu spät, meldete sich das freundliche Autohaus Drei Könige, Herr Björnsen am Apparat. Jürgens Auto sei eingetroffen und könne in drei Tagen abgeholt werden. Jürgens Freude war groß. Zwischenzeitlich hatten sich bei ihm noch sieben oder acht weitere technische Fragen ergeben, die er Björnsen zur Beantwortung per E-Mail zukommen ließ.

Am Tag der Abholung stand Jürgen pünktlich um 12 Uhr beim Autohaus Drei Könige auf der Matte. Vor dem Entrée war bereits sein Fahrzeug mit dem Schild dieses Fahrzeug ist verkauft geparkt. Eine nette Geste. Björnsen erwartete ihn schon. Nachdem die Höflichkeiten ausgetauscht und die Grundformalitäten erledigt waren, legte Björnsen ihm eine Verpflichtungserklärung zwecks Kopiegabe von Kfz-Brief und -Schein nach der Zulassung zur Unterschrift vor. Björnsen nutzte Jürgens kurze Verdutztheit und schob hinterher, daß der Importeuer grundsätzlich von allen neu zugelassenen Fahrzeugen eine Kopie dieser Fahrzeugunterlagen fordere. Normalerweise würden die Kunden davon ja gar nichts mitbekommen, aber da Jürgen das Fahrzeug an seinem Heimatort zulassen würde, bräuchte er die nachgereichten Kopien von Jürgen. Dazu diene dann eben die schriftliche Verpflichtung. Jürgen begann tief Luft zu holen und legte sich gerade die Stichworte rund um Vertragsrecht, Datenschutz und Kundenorientierung für seinen nun drohenden Vortrag zurecht, da legte Björnsen abermals nach: »Die werden echt sauer, wenn sie die Unterlagen nicht bekommen.« In diesem Moment atmete Jürgen ebenso tief aus, wie er zuvor eingeatmet hatte und sagte nur: »Okay«. Jürgen hatte an diesem Tag gute Laune und eine scheinbar unendliche Geduld. Zwei Eigenschaften, die er in dieser Kombination und Intensität an sich selbst gar nicht kannte. Björnsen war das Opfer und natürlich würde er wie immer dem Schwächeren zur Seite stehen.

Erneut wurde Jürgens Geduldpotential auf die Probe gestellt. Björnsen sagte zu ihm: »Sie hatten mir vor drei Tagen ein paar Fragen zugemailt. Ich will mal sehen, welche ich davon beantworten kann.« Jürgen konnte den Gallenfluß in ihm gerade noch erfolgreich unterdrücken. Er wußte, daß Björnsen keine Antworten liefern würde. Der Verkäufer hatte den Empfang des Fragenkatalogs nicht als Auftrag zur Beschaffung von Antworten aufgefaßt, sondern fühlte sich wohl eher als Teil einer Quizshow in der er ohne fremde Hilfe Fragen beantworten sollte. Was würde wohl geschehen, so fragte sich Jürgen, wenn Björnsen Mitglied einer Projektgruppe in einem mittelständischen Unternehmen wäre. Er würde in diesem Moment vermutlich ein sehr einseitiges Gespräch mit dem Projektleiter und anschließend mit seinem Vorgesetzten erleben dürfen.

Die Übergabe des Fahrzeugs und die Montage der Überführungskennzeichen liefen recht zügig ab. Björnsen war offensichtlich mit sich sehr zufrieden, denn die Verärgerung seines Kunden hatte er gar nicht bemerkt. Jürgen bestieg erstmals sein neues Auto, startete den Motor, legte den Wahlhebel des Automatikgetriebes auf Stellung D und verließ das Autohaus Drei Könige mit Kurs West-Süd-West. Björnsen winkte.

In die Freude über sein neues Auto mischte sich Skepsis. Hatte er sich für die richtige Marke entschieden? Bisher traf er nur auf merkwürdige Typen.

  • Der Powerseller Marc, der am liebsten die kleinen Volumenmodelle auf seinem Hof verkauft. Das ist für ihn wie Fließbandarbeit bei der er sich keine Gedanken um Kunden und Märkte machen muß. Der auch gerne auf ein Geschäft verzichtet, wenn der Kunde nicht in sein System paßt.
  • Der Verkäufer ohne Namen, dessen Angst vor dem Unmut seiner Händlerkollegen größer ist als der natürliche Jagdinstinkt eines Verkäufers mit dem unbedingten Willen zum Abschluß und zur Neukundengewinnung.
  • Der Deutschland Importeur, der über sechs Wochen zur Beantwortung einer handvoll Fragen benötigt und der Zulassungsdaten seiner Fahrzeugkäufer sammelt, ohne daß diese davon Kenntnis erlangen.
  • Der Junior-Verkäufer und Mitgeschäftsführer, vermutlich ein ehemaliger Waldorfschüler, der wohl seinen Namen tanzen kann aber von Autos und Kunden keine Ahnung hat.

Jürgen grauste es bei der Vorstellung sein Fahrzeug in eine dieser Werkstätten bringen zu müssen, aber das würde unausweichlich sein. Wer würde dann an seinem Auto herumschrauben? Ein ehemaliger Schuhverkäufer oder eine umgelernte Fleischereifachverkäuferin? Bisher hatte er den Eindruck auf eine große Laienspielschar gestoßen zu sein. Er versuchte nun all diese dunklen Gedanken zu verdrängen. Er fuhr der untergehenden Februarsonne entgegen und fragte sich dabei welche Anforderungen der Konsument des 21. Jahrhunderts an die Qualität von Produkten und Dienstleistungen zukünftig wird stellen dürfen.
rh2012-02-003

Was sind Gaucks Ziele?

Über Herrn Joachim Gauck als zukünftigen Bundespräsidenten ist ja fast alles bekannt, da er nun zum zweiten mal antreten wird. Aber genau das wirft auch schon die erste Frage auf. Warum tritt jemand erneut für ein Amt an, bei dessen Wahl er knapp zwei Jahre zuvor nur zweiter Sieger war? Sagt das schon etwas über den Charakter eines Menschen aus und sind die Voraussetzungen, wie sie sich heute darstellen, andere als noch vor zwei Jahren?

Vor zwei Jahren kam, wie bei Bundespräsidentenwahlen üblich, natürlich kein demokratisches Wahlergebnis zustande. Die Wähler unterlagen Fraktionszwängen oder einer Parteiraison. Die zur Wahl stehenden konnten sich so ungefähr vorher ausrechnen, welche Chancen sie wohl haben würden. Dennoch wäre es interessant gewesen zu wissen, welches Ergebnis eine freiheitliche Wahl wohl zutage gefördert hätte. Herr Gauck jedenfalls war der heimliche Favorit der Deutschen. Dies senkt schon mal die moralische Barriere für einen zweiten Antritt. Zudem gibt es keinen wirklichen Konkurrenten mehr dem er unterliegen könnte. Außerdem ist seine Fallhöhe deutlich geringer geworden, denn er hat nun bereits zwei gescheiterte Präsidenten als Vorgänger. Also, warum nicht antreten, wo sollte das Risiko liegen?

Aber stimmt es denn, daß alle ihn wollen? Bei Umfragen in der deutschen Bevölkerung lagen die Ergebnisse zunächst bei knapp über 40 Prozent, später dann bei etwas über 50 Prozent Zustimmung. Warum zum Beispiel lehnt Frau Dr. Merkel den Kandidaten Gauck so nachdrücklich ab? Die kühle Taktiererin, die sie zweifelsfrei ist, die sich lieber nicht bewegt, als eine Bewegung in die falsche Richtung zu machen, läßt die Öffentlichkeit über die wahren Gründe ihrer Ablehnung im Unklaren. Eine Frau als Bundespräsident, Ost wie West, müßte sie ablehnen, da sie sich ausmalen kann, daß der bundesdeutsche Wähler zwei Frauen an der Spitze nicht tolerieren würde. Damit wäre auch ihre eigene Wiederwahl in 2013 gefährdet. Aber zwei Ostdeutsche aus evangelisch kirchlichem Umfeld stellten jedoch kein wirkliches Problem dar. Welche Schwierigkeiten also hat Frau Dr. Merkel mit Herrn Gauck?

Der neue Bundespräsident wird sein Amt ab Mitte März 2012 antreten in dem Bewußtsein, daß

  • SPD und Grüne mehrheitlich zu ihm stehen
  • die FDP ihn aus rein wahltaktischen Gründen vorgeschlagen hat
  • die Union letztendlich nur zugestimmt hat um die Koalition zu retten
  • die Linke ihn praktisch komplett ablehnt

Nach richtigen Freunden, die ihm in schwierigen Zeiten Rückhalt bieten können, sieht das also nicht aus und Zuspruch von Seiten der Kanzlerin wird er kaum erwarten können. Wie hat der Bundesbürger das Nominierungsverfahren erlebt? Es war völlig überhastet, phantasielos, stellte überwiegend farblose Kandidaten zur Diskussion und gab gute Einblicke in das heillos zerstrittene Parteiengeflecht, das dieses Land regiert. Es gibt zweifelsfrei Situationen, in denen es besser wäre Gesetze und Vorschriften auszulegen statt sie strikt zu befolgen. Denn, wer hätte wen verklagt, wenn der neue Bundespräsident nicht fristgerecht bis zum 18. März 2012 hätte eingesetzt werden können. Etwas weniger Aktionismus und mehr Bürgerbeteiligung und Diskussion wäre hier durchaus angebracht gewesen.

Nach seinen zukünftigen Zielen befragt antwortet Herr Gauck öffentlich meist etwas enigmatisch, daß er sich für Freiheit und Demokratie einsetzen und den Bürgern näher bringen will, ohne die näher zu erläutern. Es scheint dann so, als hätte er seine Vergangenheit, vielleicht sogar Teile seiner eigenen Erziehung, zu seinem Beruf gemacht. Wenn also der Einsatz für die Demokratie seine Hauptmission werden sollte, dann müßte er sehr aufpassen, daß er nicht 60 Millionen Westdeutsche, die hier keinerlei Defizite aufweisen, dauerhaft unterfordert. Dies könnte dann schnell in Langeweile und schließlich in Desinteresse umschlagen. Daher wäre er gut beraten sich auf ein zweites Thema, vielleicht sogar als das höherrangige, vorzubereiten: Zum Beispiel die Gerechtigkeit. Ein dankbares Thema mit hohem Aufarbeitungspotential in allen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, das alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen anspricht.
rh2012-02-002